Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18.05.2018
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Copenhagen Fashion Summit: Umwelt und Nachhaltigkeit als Inspiration und Herausforderung

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18.05.2018

Am Mittwoch ging in Dänemark die sechste Ausgabe des internationalen Kongresses "Copenhagen Fashion Summit" zu Ende. Die Veranstaltung lieferte umfangreiche Inspirationen und forderte die Teilnehmenden zu einem realistischen Umdenken in Gesellschafts- und Umweltfragen auf. Das von der Global Fashion Agenda und Eva Kruse organisierte Event wird mit der Unterstützung mehrerer großer Konzerne veranstaltet. Die Podiumsgespräche im Auditorium der dänischen Hauptstadt wurden von zentralen Branchenakteuren geleitet, darunter Führungskräfte von H&M, Nike, C&A, Kering und Li & Fung. Auch Vertreter von Gewerkschaften, Verbänden, Institutionen oder Gründer von kleineren Marken ergriffen das Wort.


Stella McCartney am Copenhagen Fashion Summit - Copenhague Fashion Summit


In mehrere Beiträgen wurden Weitsicht und neue Perspektiven geboten. Besonderen Beifall erntete beispielsweise Stella McCartney für ihre Erläuterungen zu ihrem Werdegang und der Art und Weise, wie sie ihr Umweltbewusstsein schärfte. Sie betonte, das Gefühl zu haben, in ihrem Bestreben für mehr Nachhaltigkeit und Ethik nur wenig Unterstützung zu erfahren. Die Übernahme der Stella McCartney-Aktien von Kering ist in vollem Gange, worauf sie stolz erklärte: "Diese Trennung kommt mehr von mir. In unserer Branche gibt es nur wenige unabhängige Label, denen eine Frau vorsteht. Ich möchte auch zu diesen zählen".

Der Unternehmer und Akademiker David Roberts präsentierte unseren Planeten als Raumschiff. "Wasser und Sauerstoff sind auf der Erde nicht unbeschränkt vorhanden. Wir haben nur ein Raumschiff". Seinen Ansatz illustrierte der Kalifornier auf besonders anschauliche Weise: "Die Erdölindustrie ist der größte Umweltverschmutzer unseres Planeten. An zweiter Stelle steht die Bekleidungsindustrie".

Gestützt auf Beispiele aus unserer Vergangenheit legte Roberts dar, dass Technologien nicht verschwinden, sondern lediglich ersetzt werden. "Während Jahrzehnten nahm der Kutschen-Verkehr in den Städten zu und damit häufte sich auch der Pferdemist auf den Straßen. Städte wie New York versuchten vergeblich, etwas dagegen zu unternehmen. Sobald sich jedoch die modernen Autos demokratisierten, verschwanden Pferde innerhalb von nur vier Jahren aus dem Stadtbild. Die Steine sind nicht einfach verschwunden, weil wir nicht mehr in der Steinzeit sind". Beim Erdöl könnte die Konkurrenz durch Solar- und Windenergie den Rückgang der Ressource ankünden. "Das ist eine gute Nachricht. Weniger gut ist, dass die Bekleidungsindustrie sodann zum größten Umweltverschmutzer der Welt aufsteigt, da wir nicht auf Solarstrom setzen. Dann werden wir an eigener Haut erleben, was es heißt, der Umwelt-Sündenbock zu sein".


Der Unternehmer und Akademiker David Roberts am Fashion Summit - FashionNetwork.com


Beachtet man die Tatsache, dass nur knapp ein Prozent der hergestellten Textilien wieder in die Produktion eines neuen Bekleidungsstücks einfließen bzw. dass sich nur zwei von drei Unternehmen für die Verbesserung ihrer Sozial- und Umweltpraxis einsetzen, ergibt sich ein alarmierendes Bild. Doch auch wenn die Situation bei Weitem nicht zum Besten steht, so gibt es in der Branche doch auch Lichtblicke.

Mit dem Konzept "Make Fashion Circular" legte Hellen McArthur die Grundlagen zur Entwicklung einer wahren Kreislaufwirtschaft in der Mode. Es gelang ihr, mehr und mehr Marken und Branchenvertreter für ihr Anliegen zu gewinnen. Durch den Einsatzwillen und den Bekanntheitsgrad der ehemaligen Seglerin konnten über 50 Marken von der Aktion überzeugt werden, darunter Key Player wie Burberry, Nike und H&M. "Die Kunststoff-Schwergewichte setzten sich gemeinsam dafür ein, eine Lösung im Verpackungsbereich zu finden. Das half bei der Regulierung", erklärte McArthur. Sie unterstreicht auch, wie wichtig es ist, gemeinsam Hand anzulegen: "Unsere Zusammenarbeit muss auf einer gemeinsamen Vision fußen. Wir müssen zusammenarbeiten, damit dies auch auf weltweiter Ebene geschehen kann".

Die durch Automatisierung und Informationssysteme ermöglichten Fortschritte vereinfachten die Entwicklung schnellerer Lösungen, die den Bedürfnissen der Endkunden besser entsprachen und zugleich die anfallenden Abfallprodukte und die Anzahl unverkaufter Produkte zu reduzieren vermochten. Pete Santora von Sofwear Automation wünscht sich im Gegenteil eine stärker lokal verankerte Produktion, mit Fabriken in der Nähe der Endkunden. Sein Unternehmen entwickelte eine Maschine zum ressourcenschonendsten Schnitt-, Näh- und Herstellungsvorgang für Kleider oder Schuhe.

Mit Blick auf China wurde ein hervorragendes Beispiel vorgestellt, das zeigt, wie wichtig es sein kann, eine nachhaltige Strategie zu entwickeln. Die chinesischen Kunden sehen sich in ihrem Land mehr und mehr mit Umweltverschmutzung konfrontiert, das Thema rückt immer stärker in den Vordergrund. Für Robby Gu, Vizepräsident Innovation bei der JNBY Group, ist die Erarbeitung umweltfreundlicher Kollektionen ein Engagement, aber nicht nur: "Es geht um viel mehr als das. Es handelt sich für uns um einen wirtschaftlichen Vorteil. Wir waren mit Produktpiraterie konfrontiert. Doch durch die Gewährleistung eines nachhaltigen Sourcings und die Verwendung hochwertiger Materialien konnten die Kunden beim Anfühlen oder beim Geruch der Produkte einen deutlichen Unterschied feststellen. Für uns ist das ein schlagkräftiges Argument. Und wir entwickeln weiter Kollektionen aus rezyklierten Stoffen und anderen Materialien".

Das ist auch eines der Kernargumente des Kongresses: Alle Sprecher gaben zu, dass der Ansatz zwar Kosten verursache und dass es für kleine oder mittelgroße Strukturen manchmal nicht ganz einfach sei, Fuß zu fassen. Doch mittelfristig zahle sich das Engagement aus: Durchschnittlich werde ein Wachstum der EBIT-Marge von 1 bis 2 Prozent erzielt. Um wirkliche Fortschritte zu machen, muss die Branche jedoch noch einen Schritt weitergehen. Von der Kreislaufwirtschaft über innovative Praktiken im Bereich Arbeiterwertschätzung bis hin zu neuen Materialien wurden bereits zahlreiche Initiativen angestoßen. Einige davon wurden im Rahmen des Innovationsforums vorgestellt. Zweck dieser Teilveranstaltung war es, jungen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, starke Partner für die Entwicklung ihrer Lösungen zu finden.


Am Kongress konnten auch neue Kontakte geknüpft werden - FashionNetwork.com


"Für die Branchenakteure ist das Hauptproblem, von einer ersten Entwicklungsphase zur globalen Anwendung dieser Innovationen oder Best Practices zu finden", erklärte seinerseits Rick Darling, CEO von Li&Fung trading. "Wir brauchen Unternehmen, die starke Zeichen setzen".

Und diese Zeichen müssen von Marken und Unterhändlern sowie nationalen und internationalen Behörden gesetzt werden. Gemeinsam sind regulatorische Rahmenbedingungen zu erarbeiten, wobei ein kollektives Vorgehen den entscheidenden Impuls geben könnte.

"Wenn ich sehe, welchen Weg wir seit September 2017 beim Schutz der Models an den Modewochen bereits zurückgelegt haben, ist das Ergebnis beeindruckend", so Marie-Claire Daveu, zuständig für nachhaltige Entwicklung bei Kering. Sie ergriff das Wort im Rahmen eines Podiumsgesprächs zur #metoo-Bewegung und der Auswirkungen auf die Castings in der Modebranche. Es gibt wohl nur wenige Themen, bei denen sich LVMH und Kering Seite an Seite engagieren. Doch bei einem so wichtigen Thema wie diesem, erwirken sie gemeinsam radikale Veränderungen". Nun liegt es an der Branche, zu zeigen, dass sie auch im Bereich Umweltschutz und Sozialpolitik zu solchen Ergebnissen fähig ist.
 

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