Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
05.02.2018
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Kris Van Assches zweite Dekade in Paris

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
05.02.2018

Heutzutage ist es für Designer als seltene Ehre zu betrachten, zehn Jahre lang an der Spitze eines Modehauses zu stehen. Für Kreativdirektor Kris Van Assche hat bereits die zweite Dekade begonnen: Vor einer Woche feierte er das Ende seines 11. Jahres bei einem der wichtigsten Label der Branche – Dior Homme. Dieses Ereignis zelebrierte Van Assche mit viel Schwung und einer Mischung aus klassischen Schnitten und sportlichen Street Looks im Pariser Grand Palais. Unter den illustren Gästen: Karl Lagerfeld und Robert Pattinson.


Kris Van Assche Dior Homme - Dior Homme


Ebenfalls mit von der Partie waren Bella Hadid, die einen von Van Assche designten, betont männlichen Hosenanzug trug und Big Sean in Baseball-Jacke mit Sicherheitsnadel-Deko. Beide trugen optisch aufeinander abgestimmte Kalbsleder-Sneakers. Weiter scharten sich die Papparazzi um Josh Hartnett, Jhené Aiko und Future.

An der Spitze von Dior Homme entpuppte sich Kris Van Assche als sehr talentierter Steuermann. Im vergangenen Jahr erzielte die Abteilung des Dior-Konzerns eine zweistellige Umsatzzunahme auf rund EUR 350 Millionen. Als Kris Van Assche im April 2007 zum Nachfolger von Hedi Slimane ernannt wurde, betrug der Jahresumsatz von Dior Homme lediglich um die EUR 100 Millionen. Van Assche hat auch Outfits für Grammy-, Oscar- und César-Preisträger entworfen, und offenbart sein Couture-Talent erneut in seiner jüngsten Kollektion. Dabei zeigte er fünf männliche Top-Models in verschiedenen Versionen von Monsieur Diors legendären Bar Jacket. Zudem erfand Van Assche eine gänzlich neue Bekleidungskategorie – Black Carpet. Er versuchte sich an allen möglichen Projekten, und entfernte sich dabei teils deutlich vom gewohnten Dior-Universum, so z. B. mit BMX-Rädern und Skateboards.

Van Assche kam im November 1998 nach Paris, als er vom damals für Yves Saint Laurent tätigen Kreativdirektor Hedi Slimane als Menswear-Designer angeheuert wurde. Als Hedi Slimane zu Dior Homme wechselte, folgte ihm Kris Van Assche.

Als Hedi Slimane sich später von Paris verabschiedete, um in Berlin als Fotograf tätig zu sein, wurde Van Assche, der in der Zwischenzeit ein eigenes Modehaus gegründet hatte, von Dior zu dessen Nachfolger erkoren.



 Kris Van Assche musste dabei vor allem eines haben: eine dicke Haut. Diese brauchte er von seinem ersten Arbeitstag bei Dior an, da er in die Fußstapfen des ersten modernen Menswear-Designers mit Rockstar-Status trat.

"Heute haben sich die Menschen in der Modebranche an einen stetigen Wandel gewöhnt. Jede Saison gibt es fünf neue Nominationen. Doch damals war das anders. Es ging mehr darum, Marken wiederzubeleben. Eine Marke zu übernehmen, die auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs war, war sehr selten. Und man nahm mich wirklich sehr hart dran, das gibt es heute nicht mehr", erinnert sich der Designer bei einem Gespräch in einem Café nahe seines Studios an der Rue Marignan. Auch seine Wohnung liegt ganz in der Nähe, in einem für Paris typischen Gebäude im Haussmann-Stil. Auf Instagram teilt er seine Aussicht auf die französische Hauptstadt über seine mit Rosen bepflanzte Terrasse.

"Es war ein Ding der Unmöglichkeit – niemand wollte, dass ich Hedi kopiere, dennoch wollte niemand eine wirkliche Veränderung. Ich konnte einfach nicht gewinnen", lacht der heute 41-Jährige.

Mit dem steigenden Umsatz verbesserten sich jedoch nach und nach die Kritiken. Und spätestens bei seiner fünften Show, in der es ihm gelang, "das Atelier zu ‘verbelgisieren’ und das Design auf den Kopf zu stellen", kam Van Assche so richtig in Schwung. Der Rest ist Geschichte, wie man sagt.

Und doch ließ in seiner Kindheit nichts darauf hindeuten, dass er einst zum Pariser Design-Star werden würde: Van Assche wuchs in der belgischen Kleinstadt Londerzeel auf, er war Einzelkind. Sein Vater arbeitete in der Automobilindustrie, seine Mutter war Sekretärin.

"Als ich 10 Jahre alt war, erfuhr ich von extremen Modedesignern wie Mugler und Gaultier. Zu diesem Zeitpunkt entschloss ich mich, Fashion Designer zu werden. Dann entdeckte ich Antwerpen, das 30 Minuten von zu Hause entfernt war. Und einem im Alter von 12 Jahren eine Reise nach Paris einer Reise auf den Mond gleichzukommen scheint, war ich ab dem Moment entschlossen, in Antwerpen zu studieren. Obschon meine Eltern davon ausgingen, dass ich meinen Fehler bald einsehen und zwei Jahre später Banker werden würde", lacht er.

Mit einem Schmunzeln fährt er weiter: "Das Studium war sehr hart. Am Anfang waren wir 200 Studenten, doch am Ende standen nur noch sieben Kandidaten da. Doch wenn man dann einer dieser sieben ist, hat man das Gefühl, die Welt liege einem zu Füßen".

Von Anfang an war Van Assches Design ein ständiges Aufeinanderprallen zwischen Frankreich und Belgien. "Ich war 22 und überzeugt, dass Antwerpen im Mittelpunkt der Welt stand. Ich hatte die ganzen Lehren von Martin Margiela auf meinen Schultern – dunkel, wild, intensiv. Damit begegnete ich bei Saint Laurent zunächst einem Hutmacher! Diese Begegnung des rohen belgischen Ansatzes und des luxuriösen Pariser Gegenstücks ist mir noch heute präsent", betont der Kreativdirektor.


Dior Homme Winter 18-19 - Photo: Patrice Stable


Vor drei Jahren schaltete Van Assche bei Dior plötzlich zwei Gänge höher, als er seine eigene Kollektion einstellte. Zum selben Zeitpunkt wurde Serge Brunschwig zum neuen CEO von Dior Homme ernannt. "Seit Serge am Steuer ist, sind wir viel ehrgeiziger und eröffnen zahlreiche neue Stores. Nun bin ich jemandes Priorität. Zuvor waren wir lediglich die Menswear-Abteilung eines großen Modehauses", erinnert er sich zurück.

Die Einführung von Black Carpet war ein wichtiger Schritt. Das von Van Assche entwickelte Konzept ist eine Mischung aus Red Carpet und Bühnenkleidung. Jede Pre Collection enthält eine Mini-Kollektion mit 10 Black Carpet-Looks.
 
"Einige Schauspieler wollten mehr. Eines Tages rief ein Star an und wollte eine mit schwarzen Pailletten besetzte Jacke. Das hatte ich nicht. 'Das ist zu einfach', dachte ich mir dabei. Doch da ich die Person wirklich bewundere, wurde mir bewusst, dass ich mich an eine Aufgabe machen musste, die ich nicht mochte, und sie zu etwas Interessantem zu gestalten hatte. Und heute bin ich sehr stolz auf Black Carpet", erklärt Van Assche.

Scheinbar mühelos gelang es dem Designer, auf Instagram eine beeindruckende Gefolgschaft cooler Musiker anzusammeln. "Irgendwie ist es viel zu einfach, nur die Anzahl Instagram-Follower anzuschauen und sie in die Kampagne zu packen. Doch in Wirklichkeit kam A$AP Rocky zu meinen Shows und da erhielt ich auf einmal so viel Feedback. Er ist ein richtiger Mode-Geek und weiß vieles über Antwerpen, japanische Designer und Kollektionen von vor 20 Jahren!".

Die Kampagnen von Dior Homme sind für ihre doppelten Einflüsse bekannt: Zur Hälfte von Karl Lagerfeld geshootet, zur anderen von Karls Freund Willy Vanderperre. Letzterer erstellte generationsübergreifende Bilder mit Larry Clark, Boy George, Dave Gahan und den Pet Shop Boys. "Sie verkörpern eine solche Gedanken- und Bewegungsfreiheit … Die Menschen, die mich zu dem machten, der ich heute bin, haben auch eine Rolle zu spielen!", so der facettenreiche Designer.

So überraschte Van Assche in der Vergangenheit bereits mit Dior-Skateboards und -BMX-Rädern. "Ich lebe meine unergründeten Fantasien durch die Mode aus. Das erste BMX, das mir meine Eltern schenkten, war das beste Geschenk überhaupt. Doch die Dior-Version musste in französischer Manier sehr luxuriös ausfallen. Ich denke, wer in der Mode arbeitet, hat kein Recht darauf, unglücklich zu sein. Leiden, das ist in der Mode doch Pathos"!
 

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