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Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
25.02.2020
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Alibaba: Wie sich der chinesische Mass Market Player in der Luxusbranche etablierte

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
25.02.2020

2017 launchte der chinesische Onlinehandels-Riese Alibaba die Plattform Luxury Pavilion mit dem Ziel, die Luxusmarken aus dem Westen auf dem chinesischen Markt zu begleiten. Ein Angebot, das in scharfem Kontrast zum kolossalen Basics-Billigangebot auf der internationalen Handelsplattform AliExpress stand. Sébastien Badault spricht mit uns über diesen sehr unterschiedlichen Ansatz. Der Manager ist Frankreich-Chef von Alibaba und führt auch die internationale Mode- und Luxusabteilung des Konzerns. Er erwähnt, was sein Unternehmen vom amerikanischen Onlinehändler Amazon unterscheidet und beantwortet unsere Fragen zu den Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs auf die Geschäftstätigkeit des Konzerns.


Sébastien Badault - MG/FNW


Dreieinhalb Jahre nach seiner Einführung umfasst das Angebot der Alibaba-Plattform Luxury Pavilion heute 150 Marken. Darunter wichtige Branchenakteure wie Louis Vuitton, Dior, Cartier, Prada und Hermès. Vor Kurzem stieß zudem das Parfüm- und Kosmetikangebot von Chanel und von Saint Laurent über L’Oréal hinzu.

"In China muss ein Online-Flagshipstore ständig in Bewegung sein, er kann nicht wie bei uns nur einmal wöchentlich aktualisiert werden", erklärt Sébastien Badault bei unserem Gespräch am Pariser Hauptsitz von Alibaba. Die Büros im Herzen der Hauptstadt liegen in unmittelbarer Nähe der Büroräumlichkeiten von Facebook. "Diese Marken-Seiten müssen ständig Neuheiten liefern, mit Videos, Lives, Interviews, Produktevents usw. Das hat eine direkte Auswirkung auf das Engagement".

Auf Markenseite erfordert die Plattform somit eine intensive Aktivität, doch zunächst musste Alibaba große Anstrengungen unternehmen, um die Marken erst ihren Vorzügen überzeugen zu können. Da der chinesische Online-Händler zum Zeitpunkt der Einführung des Luxury Pavilions regelmäßig aufgrund von im Angebot befindlichen Produktfälschungen angeprangert wurde, war es für europäische Luxusmarken völlig ausgeschlossen, ihre Produkte auf den bestehenden Marketplaces anzubieten.

Deshalb setzte Alibaba auf einen unabhängigen Rahmen, der vollständig personalisiert werden kann, um das jeweilige Universum und die spezifische Kreativität der Marken wiedergeben zu können. Burberry, Hugo Boss, Givenchy und Guerlain zählten zu den ersten Marken, die sich auf das Angebot einließen. Wie Alibaba gesteht, ist die größte Sorge der Modehäuser, die der Plattform Schritt für Schritt beigetreten sind, stets dieselbe geblieben: Mehr noch als hohe Absatzzahlen ist es den Marken wichtig, dass sich ihre Teilnahme bei der örtlichen Kundschaft nicht negativ auf ihr Luxus-Image auswirkt.

Und die chinesische Luxus-Kundschaft ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb von nur einem Jahr haben sich 100.000 Mitglieder auf der Plattform angemeldet. Weiter darf nicht vernachlässigt werden, dass rund ein Drittel der weltweiten Luxus-Kunden aus China stammen. Der Umsatz dürfte sich laut Schätzungen der Beratungsfirma McKinsey & Co. bis 2025 auf EUR 162 Milliarden verdoppeln.


Im September 2019 ließ der Konzern chinesische Designer an den Modewochen in New York, Paris und Mailand defilieren - Alibaba


"In Europa und den USA gibt es jeweils 15 Städte mit mehr als einer Million Einwohner, in China sind es 160", betont Sébastien Badault. "In diesen Städten gibt es zwangsläufig Luxus-Kunden. Die Marken können es sich jedoch nicht leisten, in all diesen Städten einen Flagship-Store zu eröffnen. Wir bieten somit über den Verkaufskanal hinaus ein Mittel, eine direkte Verbindung zu diesen Kunden zu pflegen".

Der Spagat zwischen der Strategie und dem Angebot



Alibaba hatte sich zum Ziel gesetzt, westliche Luxus-Marken im chinesischen Markt zu begleiten. Doch wollte das Unternehmen auch für chinesische Marken die Türen zur westlichen Welt öffnen. Diesbezüglich hat Alibaba einen gewissen Strategiewechsel vollzogen. "Wir rücken nun auf AliExpress Marken-Cornerstores in den Vordergrund, in Zukunft wäre es also denkbar, Cornerstores für chinesische Marken zu fördern, doch ist das aktuell nicht im Zentrum unserer Aktivität", so Sébastien Badault.

Alibaba hat sich in der Tat dafür entschlossen, westliche Marken an Bord zu holen, um die regionale Ausweitung des internationalen Portals AliExpress zu begleiten. Dieser Ansatz stützt sich auf die mögliche Anziehungskraft einiger bekannter Bekleidungsmarken wie Mango, Benetton und Tendam. Eine kleine Revolution für AliExpress, da die Plattform ursprünglich eher auf Produkte als auf Marken ausgerichtet war. Die Mode ist eine der wichtigsten Sparten des Unternehmens, wie auch High-Tech-Produkte und Deko-Objekte. Das Modeangebot besteht zum Großteil aus Basics, die von sehr jungen westlichen Kunden gekauft werden, so Sébastien Badault.

"Es handelt sich mehrheitlich um No Brand-Teile von Unternehmen, die lange im Auftrag großer Marken produzierten und schließlich ihre eigene White-Label-Marke gründeten", erklärt er weiter. "So findet man dieselbe Qualität wie bei den großen Marken, trotz der qualitativen Stigmatisierung des Made in China, die weiter anhält".



Alibaba ist über die Plattform Xianyu auch im Second-Hand-Segment vertreten - Xianyu


Dieses Konzept, bei dem das Produktangebot vor das Markenangebot gestellt wird, bildet auch einen der größten Unterschiede zu Amazon. Der Vergleich scheint das Unternehmen aus Hangzhou zum Schmunzeln zu bringen, während der amerikanische Konkurrent an einer gleichwertigen Luxus-Plattform arbeiten soll, die vom zentralen Marketplace unabhängig ist. Für Alibaba ist Amazon ein Händler, während sich der chinesische Konzern von Anfang an als Dienstleister sah.

Alibaba angesichts des Coronavirus-Ausbruchs



Der Jahresanfang war für Alibaba natürlich alles andere als gewöhnlich. Der Coronavirus-Ausbruch hat China in einen nervösen Stillstand gezwungen. Für Sébastien Badault sind die deutlichsten Auswirkungen der Ausnahmesituation jedoch nicht im Onlinehandel zu spüren: "Es gibt ganz klar Auswirkungen auf die Bezahlungen chinesischer Touristen über Alipay (Anm. d. Red.: Zahlungsmittel von Alibaba). Und das spüren wir besonders deutlich, da dies mit dem Hoch des chinesischen Neujahrs zusammenfällt, zu dem zahlreiche Touristen nicht anreisen konnten", erklärt der Manager.

Die Onlinehandelsplattform von Alibaba, Taobao, machte ihre Anfänge während der SARS-Krise im Jahr 2003, mit dem Ziel, den Handel auch in Krisenzeiten aufrechterhalten zu können. Die Geschichte scheint sich nun zu wiederholen: Um den chinesischen Unternehmen angesichts der Coronavirus-Krise zu helfen, bietet Alibaba seit dem 15. Februar eine Blockchain-Lösung unter Einbezug von Alipay, der Logistik-App Ele.me und dem Telearbeit-Tool Dingding an. Ein Tool für "kontaktloses Bieten ", das die Möglichkeit gewährt, Handelsverhandlungen zu führen. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem die meisten chinesischen Unternehmen ihre Angestellten zur Telearbeit ermuntern. Für Alibaba eine Möglichkeit, seine Vorreiterstellung als wirtschaftliche Säule des Landes noch stärker zu festigen.

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