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Melanie Muller
Veröffentlicht am
04.05.2017
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Bruno Pavlovsky: "Das Chanel-Erlebnis findet in der Boutique statt"

Übersetzt von
Melanie Muller
Veröffentlicht am
04.05.2017

Nur wenige Luxus-Führungskräfte werden so ein geschäftiges Jahr hinter sich haben wie Bruno Pavlovsky, Chanels Fashion President. Er hat gerade den Start der neuen Gabrielle Bag verantwortet und will vier neue Boutiquen eröffnen. Im vergangenen Monat kündigte er die Eröffnung der permanenten Ausstellung "Salles Gabrielle Chanel” („Gabrielle Chanel Räume“) im Palais Galliera Modemuseum in Paris an.


Bruno Pavlovsky, Chanels Fashion President - Chanel


Obwohl er viel zu tun hat, fand er Zeit für eine lockere Unterhaltung in seinem Büro, bei der er über Chanels Zurückhaltung im E-Commerce sprach, bekräftigte, dass Hedi Slimane nicht bei Chanel anfangen wird und erzählte, wie er persönlich bei den Präsidentschaftswahlen diesen Sonntag abstimmen wird – für Emmanuel Macron. Er ist hoch konzentriert, warnt vor zu viel Marken-Diversifizierung, lacht über die Idee eines Chanel Hotels, Cafés oder Schokoladengeschäfts.

"Die richtige Botschaft ist jetzt, dass wir Paris, die Hauptstadt der Kreativität, stärken.
2015 und 2016 waren sowohl schwierige Jahre für Paris als auch für Chanel – wenn es auch für uns weniger dramatisch war, als für unsere Konkurrenz. Wir haben viele loyale französische Kunden in Paris, aber was fehlte, waren die Touristen – jedes Hotel und Restaurant wird ihnen das bestätigen“, so Pavlovski.

Am Mittwoch war er damit beschäftigt, das kreative Genie des Hauses, Karl Lagerfeld zu unterstützen, als dieser seine Chanel Cruise-Show im Grand Palais präsentierte. Für ihn bedeutet Chanel per Definition "Kreation ohne Grenzen". In Erinnerung schwelgend an die Schauen in Kuba, Paris, in den Cinecittà Filmstudios in Rom oder der Raketenstart in der letzten Saison-Schau: "Bei Chanel sagen wir: Lassen Sie sich von Chanel überraschen!"
 
Pavlovsky beharrt darauf, dass es seine vorrangige Aufgabe ist, „das kreative Team von Karl (Lagerfeld), Virginie (Viard, Directrice du Studio) und Eric (Pfrunder, Director de l’image Mode) so zu unterstützen, dass sie alles bekommen was sie brauchen, um ihre Träume umzusetzen, um dann ihre Ideen mit maximalem Effekt in Chanels 191 Boutiquen zu präsentieren."
 
"Ich glaube nach 26 Jahren mit Karl kann ich sagen, dass ich einen guten Mentor gehabt habe", sagt er lächelnd. "Mit ihm die Entwicklung einer Kollektion zu diskutieren bedeutet, dass Sie herausfinden, was wichtig ist und was ein Bestseller werden kann. Aber manchmal muss man ihn pushen, um Bestseller zu kreieren. Wir müssen auch Risiken eingehen, um die Energie und Kreativität jeder Kollektion herauszuarbeiten – Kreativität und Kommerz müssen ausbalanciert sein."
 
Vorsichtig bleibt er beim Thema E-Commerce: „Das Chanel-Erlebnis findet in der Boutique statt. Hier sollen unsere Kunden die Marke erleben. Ich bin mir nicht sicher, ob man immer alles über das Produkt und die Marke über einen Bildschirm erfährt."
 
Die sehr zurückhaltenden Besitzer Chanels, die Wertheimer-Familie, sprechen niemals über Finanzen, aber den Zahlen nach, die bei der Amsterdamer Börse eingereicht wurden, erzielte die Chanel International BV im vergangenen Geschäftsjahr einen operativen Gewinn von 1,6 Milliarden US-Dollar bei einem Umsatz von 6,24 Milliarden US-Dollar. Das macht sie zu Frankreichs größtem Luxus-Modehaus.
 
Pavlovsky stammt aus Biarritz. Sein Urgroßvater wanderte zu Beginn des letzten Jahrhunderts von Russland nach Frankreich aus, „weil er jüdisch war und seine Familie bedroht wurde", erklärt Pavlovsky, „ein Teil der Familie ist in Argentinien ansässig“. Er begann bei Chanel vor einem Vierteljahrhundert und arbeitete mit der damaligen Präsidentin, Madame Françoise Montenay, an der Strukturierung des Modegeschäftes. Seine letzte große Initiative ist Chanels Strategie der globalen Preisharmonisierung, die vor 18 Monaten eingeführt wurde.
 
"2015 wurde meiner Meinung nach mehr als die Hälfte aller Geschäft unter dem Namen Chanel auf dem Parallelmarkt getätigt – ohne unsere Kontrolle. Keine gute Sache. Wir hatten viele Probleme mit Kunden, die zum Teil mit Fake-Produkten verärgert in unsere Boutiquen kamen. Preisharmonisierung war ein starkes Zeichen, dass wir entschlossen sind, diesen Parallelmarkt zu stoppen. Es war ein großer Erfolg", betont Pavlovsky.
 
Erfolge will er auch durch die Kollektionen. Zu jeder Modenschau, erklärt er, gehört nicht nur eine Kollektion, sondern auch die Medien. "Sie sind ab dem ersten Tag da. Wenn die Medien die Kollektion hassen, wird sie in unseren Boutiquen immer noch Erfolg haben, aber es wird schwieriger. Aber wir sind immer noch ein freies Land, so dass die Leute kritisch sein dürfen", räumt Pavlovsky ein, der eine Chromatic Chanel Uhr am Handgelenk trägt und in einem anthrazitfarbenen Dior Homme Nadelstreifen Anzug gekleidet ist.
 
Und was passiert bei der Präsidentschaftswahl am Wochenende? "Chanel unterstützt nie einen bestimmten Kandidaten. Allerdings glauben wir an den kreativen Prozess in der französischen Kultur und in der Rolle von Paris. Unsere Aufgabe ist es, unser Bestes zu tun, damit das, was heute stattfindet, auch morgen stattfinden kann. Wir werden zweifellos die Menschen unterstützen, die das garantieren können. Und persönlich habe ich keinen Zweifel daran, dass Emmanuel Macron das kann."
 
Dann ändert Pavlovsky das Thema, erzählt von der neuen Ausstellungsfläche "Salles Gabrielle Chanel” im Souterrain des Palais Galliera, in die Chanel 5,7 Millionen Euro investieren wird und die 2019 eröffnen soll.
 
"Es geht darum, Kreativität in Paris zu unterstützen. Chanel wird dadurch ein Partner von einem der besten – wenn nicht dem besten – Modemuseum der Welt. Wir wollen kein Stiftungs- oder Kunstmuseum. Es gibt mehrere Unternehmen, die das schon gut machen", sagt Pavlovsky und nennt die Fondation Louis Vuitton und die Fondation Pinault.
 
Mit Blick auf die Zukunft, widerspricht er gerne Gerüchten, dass Chanel Hedi Slimane umwirbt, um eines Tages Karl Lagerfeld zu ersetzten. "Ich denke, wir haben das klar formuliert: Chanel plant keine Projekte mit Hedi Slimane”, brummt  Pavlovsky in seinem schwarz-beigen Büro, umringt von Lagerfeld Fotografien und einem Chanel Surfbrett.

Stattdessen gibt er einen Ausblick ins kommende Jaher: Auf der Rue du Faubourg St Honoré wird Chanel 2018 ein Geschäft von 600 qm eröffnen. In Planung sind außerdem die Überarbeitung der Geschäfte in New York auf der 57. Straße und in Seoul, sowie ein neues Gebäude hinter der Ginza Six, dem Shopping-Mekka von Tokio. Nicht geplant sind ein Chanel Hotel oder Café.
 
"In diesem Jahr haben wir die Gabrielle Bag gelauncht. Im September werden wir ein Gabrielle Parfüm, den ersten neuen Duft seit 15 Jahren, vorstellen. Was wir nicht brauchen ist ein Restaurant, Bonbonnière oder Chocolatier – diese Marke ist bereits vielschichtig genug!"
 

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