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26.06.2012
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Cardin wird 90: Mode-Visionär mit Hang zum Größenwahnsinn

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26.06.2012

Paris (dpa) - An Selbstbewusstsein mangelt es dem französischen Designer Pierre Cardin nicht. «Ich bin einer der reichsten Männer Frankreichs. Ich kann mir alles leisten», sagte er erst vor wenigen Wochen in einem Interview mit der Wochenzeitung «Der Stern». Sogar einen 240 Meter hohen Turm in Venedig, den er derzeit erbauen lässt. Schwer zu glauben, bei einem Mann, für den die Arbeit eine Droge ist. Pierre Cardin hat in 60 Jahren mit 1000 Fabriken in 100 Ländern ein Mode-Imperium aufgebaut, um das ihn viele beneiden, wie der kreative Geschäftsmann und Kunstmäzen, der am kommenden Montag (2. Juli) 90. Jahre alt wird, selbstbewusst behauptet.

«Ich will nicht sterben. Alles andere habe ich erreicht. Ich habe die Welt bereist, habe die Weisheit der weltweit intellektuell wichtigen Menschen gesammelt und habe mit Picasso verkehrt», gestand Cardin vor wenigen Tagen in Belgrad, wo er seine neue Kollektion präsentierte. In Belgrad war Cardin schon, da war die Stadt noch jugoslawisch. Damals habe er seine Kollektion der Frau des kommunistischen Staatsgründers Tito, Jovanka Broz, vorgestellt, wie er der größten serbischen Zeitung «Blic» weiter sagte.

Pierre Cardin, Adler
Pierre Cardin at home - Foto: Corbis


Cardin kreierte 1947 den bekannten «New Look», der sich durch eine ausgeprägte Taille und runde Schulter auszeichnet, steckte Mannequins in Raumanzüge und stand im Ruf, die besten Herrenanzüge und Kostüme von Paris herzustellen. Seine Ideen zu seinen Kollektionen - sein erstes Haute-Couture-Defilee präsentierte er 1953 - kamen ihm entweder auf der Straße oder nachts, im Unterbewusstsein. «Wenn es Nacht ist, sehe ich Formen, Materialien, Farben. Ich wache auf, mache das Licht an, zeichne und schreibe», wie er 2008 der «Welt am Sonntag» offenbarte.

Der Schneidermeister wird auch heute noch gern als «größter Visionär der Mode» bezeichnet. Denn mit seinem Geschäftssinn war er den meisten seiner Kollegen weit voraus. Er war der erste Couturier, der Mode für die Massen entwarf und eine Prêt-à-porter-Kollektion auf den Markt brachte und der erste seiner Branche, der seinen Namen für unzählige Produkte, wie Möbel, Mineralwasser oder Plattenspieler hergab. Cardin war seiner Zeit stets voraus: Er hat früher als alle anderen seine Fühler nach der ehemaligen Sowjetunion ausgestreckt und auch früher als alle den chinesischen Markt entdeckt.

Luxus habe ihn noch nie interessiert, wie der Sohn eines französischen Weinhändlers sagt, der eigentlich Pietro Cardini heißt und in der Nähe von Venedig zur Welt kam. Für einen Mann, der Schlösser besitzt, eine verblüffende Aussage. «Ich hatte schon, seit ich sehr jung war, die Möglichkeit, mir alles zu kaufen», erklärte er in dem Zeitungsinterview weiter. Was ihn interessiere, sei der kreative Aspekt seiner Unternehmen und Vorhaben.

Mit seinem Geld hat sich Cardin keine Freude verwehrt: 1969 kaufte er in der Nähe des Pariser Präsidentenpalasts Elysée ein altes Theater und funktionierte es in den «Espace Pierre Cardin» um, ein Kulturzentrum mit Konferenzsälen, einem Luxusrestaurant, einer Kunstgalerie und einem Vorführraum für seine Kollektionen. Dann interessierte er sich für das Markenzeichen «Maxim's», in dessen Namen er Delikatessen wie Champagner und Gänseleber kommerzialisierte. Im Jahr 1981 kaufte er schließlich das gleichnamige Jugendstilrestaurant, wo einst Alain Delon und Romy Schneider speisten.

Heute kann Cardin auf einen beachtlichen Immobilienpark blicken und sich auf einem fetten Geldpolster ausruhen. Zu seinem Hab und Gut gehört das Schloss im südfranzösischen Lacoste, fast ein ganzes Dorf, das futuristische Ferienhaus Palais Bulles an der Côte d'Azur, das Musée Cardin im Norden von Paris, ein Auktionshaus und Einnahmen aus Hunderten von Lizenzverträgen.

Der steinreiche Geschäftsmann ist kinderlos, sein Freund und Mitarbeiter André Olivier starb 1993. Seit Jahren schon sucht er vergeblich nach einem Nachfolger. «Ich suche jemanden, der mein Lebenswerk respektiert. 60 Jahre habe ich geschuftet, um aus meinem Namen eine Marke zu machen. Es gibt heute mehr als 800 Lizenzen, da verkauft man nicht an den Erstbesten», sagte der Designer in dem «Stern-Interview» vor wenigen Wochen. Bei dem Ego des Designers kann die Suche noch lange dauern.

Von Sabine Glaubitz, dpa

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