Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
05.07.2022
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Chanel Haute Couture: Zurück in die 30er Jahre

Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
05.07.2022

An einem sonnigen Dienstagmorgen präsentierte Chanel im privaten Pariser Reitclub Étrier de Paris seine neueste Haute-Couture-Kollektion und brachte damit die 1930er Jahre zurück – wenn auch mit einer jugendlichen Vision und coolem Westernflair.

The CHANEL Fall-Winter 2022/23 Haute Couture Show


Der rote Faden der Schau war die Hommage an die "Bijoux de Diamants"-Schmuckkollektion von Coco Chanel aus dem Jahr 1932, die derzeit mit einer sechstägigen Pop-up-Ausstellung im Grand Palais Éphémère gewürdigt wird.
 
Tatsächlich präsentierten die Models während der Show Schmuckstücke im Wert von mehreren Millionen Euro. Inszeniert wurde diese auf einer Koppel im Bois de Boulogne in der neuesten Kulisse des Künstlers Xavier Veilhan.

Veilhans riesige Uhrenimitate, medizinische Pillen und Zeppeline begrüßten die Gäste, als sie über den für die Show frisch aufgeschütteten weißen Sand marschierten. Ein passendes Szenenbild für die starbesetzten ersten Reihen bei den beiden morgendlichen Shows mit Sigourney Weaver, Soo Joo Park, Elsa Zylberstein, Marion Cotillard, Maggie Gyllenhaal, Keira Knightley und Anna Mouglalis.
 
Die Proportionen erinnerten an die 30er Jahre, mit Röcken, die bis zur Wade reichen, und Jacken mit quadratischem Rücken und Kragen, die nicht zu eng am Oberkörper anliegen und oft ungeknöpft getragen werden. Mit klassischer Bouclé-Wolle, aber aufgefrischt in sandigem Beige, dunklem Himbeerrot und leuchtenden Grüntönen. Wie ein wundervoller Anzug, bestehend aus einer schrägen Jacke mit vier Taschen und einer Jodhpurhose, getragen ohne Stiefel, aber mit einer doppelreihigen Kette um den Hals.


Chanel Herbst/ Winter 2022-2023 Haute Couture - Photo: Chanel


 
Der Mittelteil der Show schwächelte etwas, da die schiere Masse der horizontal gestreiften Mäntel die Models zu erdrücken schien. Viele der Darsteller trugen Cowboystiefel mit schrägem Absatz und schlaffe Hüte, so dass man sich fast wie ein Statist in "Dallas" fühlte.
 
Dann ging es plötzlich zurück in die Gegenwart, mit glänzenden, schillernden Röcken, einem perfekt geschnittenen und gewebten puderrosa Wollmantel und einer wunderbaren Eisenhower-Jacke aus Chanel-Bouclé mit wallenden Ärmeln.
 
Gefolgt von eleganten Cocktailkleidern aus schwarzem Chiffon, wie man sie nur während der Pariser Couture-Woche zu sehen bekommt. Dazu gab es Diamant-Halbmond-Anhänger, glitzernde Armbänder und eine bemerkenswerte Sternschnuppen-Halskette, die sich zweimal um den Hals schlängelte – eine Auswahl aus der Ausstellung zum 90-jährigen Jubiläum der Bijoux de Diamants.
 
"Es war ein hektischer Morgen, denn sie haben den Schmuck erst zwei Stunden vor der Modenschau geliefert", sagte Chanel-Kreativdirektorin Virginie Viard, als sie die Gäste auf der sonnigen Terrasse der Koppel begrüßte.
 
Im Vorfeld der Show veröffentlichte sie einen Teaser unter der Regie von Veilhan, der in der Umgebung des Reitclubs gedreht wurde und in dem ihr Lieblingsmusiker Sébastien Tellier, die Markenbotschafterin Charlotte Casiraghi und das Model Vivienne Rohner mit der realen und virtuellen Landschaft interagieren.


Chanel Herbst/ Winter 2022-2023 Haute Couture - Photo: Chanel



"Mein Ausgangspunkt war 1932 und diese Epoche. Zum Teil, weil die grafischen und konstruktivistischen Elemente sehr gut zu Chanel passen. Was die Farben anbelangt, so habe ich schon immer Grün geliebt, und so haben wir den ganzen Film vor einem grünen Hintergrund gedreht, aber alles unecht. Die Models saßen in etwas, das wie ein Auto aussah, aber keines war", verriet Viard.
 
Vor allem aber sah die gesamte Modenschau, unabhängig von den persönlichen Vorlieben, absolut nach Chanel aus. Viard scheint davon überzeugt zu sein, dass die Kundin von heute Kleidung kaufen möchte, die unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass es sich um Chanel handelt – mit einer Prise Jugendlichkeit. Eine Strategie, die offensichtlich Anklang findet, denn der Umsatz von Chanel stieg 2021 um knapp 50 % auf 15,6 Milliarden Dollar.
 
Dennoch war es schwer zu verstehen, welche Rolle Pharrell Williams in dem Gesamtthema spielte. Er eröffnete die Show auf einer riesigen Leinwand mit einem ausgedehnten Schlagzeugsolo. Vielleicht hatte es mit Pharrells Vorliebe für Schmuck zu tun?
 
Beim Finale dann, als der Chorsoundtrack mit "Lucid Morto" von Pan Daijing seinen Höhepunkt erreichte, marschierte das kurvige niederländische Model Jill Kortleve im lässigsten aller Brautkleider auf. Die Hände in den Taschen und ausgestattet mit einem fein bestickten Schal aus Spitze aus den Schultern.
 
Die 1930er Jahre – geprägt von einer Weltwirtschaftskrise, düsteren Heldinnen und visionärer Literatur – sind lebendig, aber heute weitaus unbeschwerter als damals.

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