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Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
28.01.2019
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Daniel Grieder (Tommy Hilfiger): "Mit Innovation werden wir Marktanteile gewinnen können"

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
28.01.2019

In seinem Büro im achten Stock des brandneuen europäischen Konzernsitzes von Tommy Hilfiger begrüßt Daniel Grieder FashionNetwork.com zu einem Gespräch. Der CEO der amerikanischen Sportswear-Marke stellte uns sein neues Denim Center vor, während sich im Hintergrund die Docks von Amsterdam abzeichneten. Er erläutert, weshalb und wie der Konzern sich für die Förderung des blauen Stoffs entschied, betont die Bedeutung des Forschungs- und Entwicklungszentrums und eines umweltfreundlichen Ansatzes und spricht über die Erwartungen, die er in diesen Markt setzt.


Tommy Hilfiger-CEO Daniel Grieder - PVH


FashionNetwork.com: Im weltweiten Jeansmarkt werden jährlich 1,4 Milliarden Paar Jeans verkauft. Wo stehen Sie in diesem Markt?

Daniel Grieder: Das erste Produkt, das Tommy verkauft hat, waren Jeans, die er im Kofferraum seines Autos aufbewahrte. Denim ist Teil unserer DNA und wird immer ein Schlüsselprodukt der Marke bleiben. Wir sind überzeugt, dass Jeans ein zentraler Modebestandteil sind und bleiben, auch wenn einige Jahre besser sind für unsere Branche als andere. Bei jeder innovativen neuen Lösung kommt dem Jeansmarkt wieder eine höhere Bedeutung zu. Deshalb haben wir die Innovation zu einer Priorität für das Unternehmen und unsere Kollektionen gemacht. Und aus demselben Grund haben wir auch dieses Zentrum gegründet: Wir wollen unsere Führungsposition in der Branche festigen und das geht über die Innovation. Innovation heißt jedoch nicht nur Fits, Design und Stil, sondern umfasst auch andere Aspekte wie die Umweltverantwortung, Kreislaufwirtschaft usw.

FNW: Welches Gewicht kommt Denimprodukten im Umsatz von Tommy Hilfiger zu?

DG: Heute sind das 15 Prozent. Wir rechnen für die Zukunft mit einem Potenzial von rund 25 Prozent.

FNW: Wieso wollen Sie gerade jetzt in Jeans investieren, wo die Attraktivität des Produkts nicht sehr groß ist?

DG: Weil Denim wieder an die Spitze zurückkehren wird. Da bin ich mir 100 Prozent sicher. Dafür brauchen wir lediglich die richtigen kreativen Impulse. Wir sind überzeugt, dass Jeans zu den angenehmsten Produkten zählen, die Sie tragen können, und zwar sowohl für elegante als auch für entspannte Looks, im Büro oder zu Hause. Wir sind auch als Investoren bekannt. Und genau deshalb haben wir uns zum jetzigen Zeitpunkt für diesen Schritt entschieden, gerade weil das Interesse nicht am größten ist. Aber mit der richtigen Dosis Kreativität und Innovation werden wir Marktanteile gewinnen können.

FNW: Wie stehen Sie zum Denim-Markt, von den Fast Fashion-Marken, die Jeans für 10 Euro anbieten, bis zu den Luxusmarken, die Schwierigkeiten bekunden bzw. den historischen Akteuren, die im Rückgang begriffen sind?

DG: Nun, wenn ich mir den Markt so ansehe, frage ich mich, wo Neues herkommt. Wer kommt mit der Idee auf? Ich sehe Produkte auf der ganzen Welt, aber niemanden, der wie wir mit einem hochwertigen Denim Center investiert, um umweltfreundliche und innovative Lösungen zu erarbeiten. Dabei muss das Produkt stets frisch und angenehm bleiben. So müssen wir in unseren Produkten zahlreiche Aspekte berücksichtigen, das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Ich glaube jedoch, dass uns das Zentrum mehr Gewicht verleiht, dass wir so eine höhere Nachfrage generieren können.

FNW: Wieso dieses Denim Center? Ihre Lieferanten, Weber und Fertiger haben ihre eigenen Studios mit guten Teams. Weshalb benötigen Sie ein eigenes Labor?

DG: Um die Dinge zu beschleunigen. Es stimmt schon, dass wir mit den Lieferanten zusammenarbeiten. Für sie sind wir die Kunden, sie kommen auf uns zu. Für uns ist das ganz einfach, so geht alles schneller. Wir können direkt auf 1300 Muster zugreifen. Alle unsere Designer können zu uns kommen und sie ansehen, sie müssen dafür nicht in die Fabriken reisen. Und wir können unserer Prototypen innerhalb von 48 Stunden herstellen. Wenn wir sie an unsere Partner senden, kann das schon mal drei bis sechs Wochen dauern. So sind wir viel reaktiver. Wir können die Tests vor Ort durchführen. Das alles können wir selbst machen, damit sich unsere Designer nicht in die Fabriken in Osteuropa und Asien begeben müssen. Das hilft uns dabei, neue Produkte schneller zu entwickeln. Die Lasermaschinen eröffnen zudem neue Möglichkeiten. Mit dieser Technologie können wir in unseren Rohstofflagern alles haben. Mit dieser 90-Sekunden-Maschine kriegen wir jede Waschung hin, das ist aus betrieblicher und finanzieller Sicht viel effizienter. Denn Tag für Tag können wir genau die Mengen herstellen, die wir brauchen.


Das Denim-Atelier von PVH in Amsterdam - FashionNetwork


FNW: Im Denim Center erarbeiten Sie neue Ideen und Technologien. Nun gilt es, in der Produktionsphase operationell zu sein.

DG: Ja, genau. Was in der Jeansbranche zählt, ist die Beständigkeit unseres Angebots. Denn jede Waschung wirkt sich auf die Fits unterschiedlich aus und nur schon ein paar Millimeter können entscheidend sein. Mit diesem Center können wir versuchen und testen und so ein kohärenteres Angebot garantieren. Dieser Aspekt ist bereits erprobt. Nun geht es an die Umsetzung, um alles mit den Prozessen unserer Partner abzustimmen. Das wird nochmals etwa zwölf Monate dauern.

FNW: Wieviel kostet diese Umsetzung für Sie und für Ihre Partner?

DG: Das kann ich so genau nicht sagen, da es eine gemeinsame Arbeit ist. Was ich sagen kann, ist, dass der ROI sowohl für sie als auch für uns interessant ist. Wir konzentrieren uns auch auf die Käufer, die bereit und fähig sind, mit uns an Bord zu kommen. Sie können dabei nur gewinnen, da sie dadurch ihre Produktion optimieren. Und für uns bedeutet dies zum Beispiel, dass wir keinen Überbestand an Stoffen mit einer schlechten Waschung haben, und das ist schon einmal ein riesiger Erfolg!

FNW: Bei den Technologien des Denim Center wird die Umweltverantwortung in den Fokus gerückt. Warum ist das so wichtig?

DG: Das ist wichtig, weil es dem Wunsch des Endkunden entspricht. Alle Branchen forschen nach neuen und umweltbewussten Lösungen. Natürlich können wir nicht über Nacht alles umweltfreundlich gestalten, aber wir können versuchen, jeden Tag einen Schritt in diese Richtung zu gehen. Als Modemarke haben wir eine Verantwortung, besser zu werden. Und das heißt nicht zwangsläufig, dass es mehr kostet. … nun, vielleicht zu Beginn. Aber wenn man dies ganzheitlich umsetzt, so wirkt sich das für uns langfristig positiv aus. Das Prädikat umweltbewusst kann nicht ewig teurer bleiben. Wir müssen einen Weg finden, umweltverträgliche Produkte zum selben Preis anzubieten.


Das Denim Center arbeitet mit zehn der fortschrittlichsten Industriepartnern zusammen - FashionNetwork


FNW: Ihre Entwicklungen werden in Europa umgesetzt. Wie steht es mit China und den USA?

DG: China ist bereits Teil des Programms, da wir hier die Denimprodukte für ganz Europa und Asien entwerfen. Bis ins Jahr 2020 möchten wir, dass 50 Prozent der für den europäischen Markt hergestellten Produkte umweltfreundlich sind. In den USA ist die Ausgangslage nicht dieselbe. Alles wird viel stärker vom Preis bestimmt. Doch, so wie ich das sehe, werden wir in Zukunft ein Denim Center in Amerika, eines hier in Amsterdam und eines in Asien haben. So können wir unsere Rohstoffe lagern und die Produkte in der jeweiligen Region direkt herstellen und verkaufen.

FNW: Sie haben noch kein Denim Center in den USA?

DG: Nein, noch nicht, aber die Testphase läuft. Wenn alles funktioniert, wenn die Umsetzung klappt, so können wir zum nächsten Schritt gehen. Denn die Nähe zu den Lieferanten ist ein wichtiges Thema.
 
FNW: Mit der PVH-Gruppe sind Sie einer der zentralen Branchenakteure. Die Jeansbranche umweltfreundlicher zu gestalten ist eine bedeutende Herausforderung. Tauschen Sie sich diesbezüglich mit anderen Branchengrößen wie Levi’s oder den Marken des VF-Konzerns aus, um einen gemeinsamen Weg zu finden?

DG: Wir sind stets offen, wenn es um Wege geht, um zusammenzuarbeiten. Alles, was wir im Bereich Umweltverantwortung erreichen, teilen wir sehr gerne. Ich denke, um besser zu werden, muss man teilen können. Man muss lediglich einen Schritt voraus sein. Denn, wenn alle eine gemeinsame Lösung haben, muss man bereits am nächsten Thema arbeiten. Deshalb ist Innovation auch so spannend.

FNW: Sie haben Ihr Denim Center eingerichtet, um als Innovationsmagnet zu wirken. Sind Sie heute bereit, in ein Unternehmen zu investieren oder eine Firma zu übernehmen, die Ihnen zu mehr Marktanteilen verhelfen könnte?

DG: Dazu sind wir ganz klar bereit. Wir haben bereits Partnerschaften mit unseren Lieferanten abgeschlossen, um in verschiedenen Bereichen zu investieren, im digitalen Design beispielsweise. Und wir entwickeln das Projekt weiter, um – wie beim digitalen Showroom zum Beispiel – eines Tages in der Lage sein zu können, das Produkt einem anderen Akteur zu verkaufen. Das geschieht bereits heute. Und wenn wir etwas kaufen oder eine Lösung integrieren müssen, sind wir bereit, dies zu tun.
 

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