Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
15.03.2023
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Die Highlights der ersten Jahreskonferenz von Adidas-Chef Bjørn Gulden

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
15.03.2023

Als Geschäftsführer von Puma präsentierte Bjørn Gulden fast zehn Jahre lang die Jahresergebnisse des Herzogenauracher Sportausrüsters. In seiner neuen Funktion als CEO der Erzrivalin Adidas ist Gulden Herzogenaurach treu geblieben. Am 8. März nahm er zum ersten Mal an der Präsentation der Jahresergebnisse von Adidas teil. Und wurde an dieser Premiere natürlich genaustens beobachtet.


Adidas-CEO Bjørn Gulden - Adidas


"Das hört sich jetzt wahrscheinlich seltsam an, wenn ich die Ergebnisse von Adidas präsentiere", sagte der norwegische CEO einleitend, "aber das ist nun einmal so. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich in diesen sieben oder acht vergangenen Wochen sehr aktiv war, um die Situation des Unternehmens zu erfassen und die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen und Möglichkeiten zu prüfen. Und ich möchte sagen, dass ich stolz bin, hier zu sein. Das mag seltsam klingen, nach allem, was ich gesagt habe, als ich bei Puma war. Aber ich möchte kurz daran erinnern, dass ich neun Jahre und sehr gute Momente dort verbracht habe. Ich habe enge Freunde bei Puma. Und ich denke, dass es nach neun Jahren richtig ist, zu sagen, dass ich meinen Vertrag erfüllt habe und es an der Zeit war, etwas anderes zu tun. Ursprünglich war natürlich nicht geplant, dass ich zu Adidas wechsle, aber die Dinge haben sich in diese Richtung entwickelt und sehr schnell, und es wurde zu einer Option, die ich einfach wahrnehmen musste".

Über die genauen Argumente des Konzerns, die ihn vom Wechsel überzeugten, verlor der Manager keine weiteren Erklärungen.

"Wir werden stärker in kleinere Sportarten investieren und unser Portfolio erweitern"



Vielmehr betonte Bjørn Gulden die Vorzüge von Adidas. "Wir sind uns alle darin einig, dass Adidas sehr gute Teams verpflichtet hat. Für mich ist es etwas Besonderes, Italien und Arsenal wiederzufinden. Sie wissen, dass ich dabei war, als ihre Zusammenarbeit mit Puma endete. Heute sind sie zurück. Arsenal erbringt gute Leistungen und wir hoffen, dass Italien besser abschneidet als bei der letzten Kampagne. Wir haben alle erforderlichen Teams für ein gutes, sehr gutes Image und eine gute Tätigkeit in den Profi- und Unisportarten, und natürlich im Lizenzmarkt. Dasselbe gilt für die Sportlerinnen und Sportler. Damit meine ich, dass wir in allen Sportarten über sehr talentierte Sportlerinnen und Sportler verfügen. Ich möchte auch sagen, dass wir stärker in kleinere Sportarten investieren und unser Portfolio erweitern werden. Ich denke, es war schon immer in der ADN von Adi, Produkte für alle möglichen Sportarten zu entwickeln. Es gab sogar Olympische Spiele, bei denen wir für alle angebotenen Disziplinen Schuhe hatten. Ich bin nicht sicher, dass wir diesmal so weit gehen werden, doch aus dem Blickwinkel der Kreativität und der Entwicklung können wir uns nicht auf die wichtigsten Sportarten beschränken".

In der Vergangenheit hatte sich Adidas dafür entschieden, sich aus mehreren nicht rentablen Sportarten zurückzuziehen. Es handelte sich insbesondere um Nischenmärkte mit Disziplinen, die an den Olympischen Spielen vertreten waren und für die die nationalen Sportverbände nur mit Mühe spezialisierte Ausrüster fanden. Der neue CEO scheint somit zu den Wettkampfsportarten zurückkehren zu wollen. Um dies zu erreichen, will er sich auf die Forschungs- und Entwicklungsressourcen, aber auch auf die Produktionskapazitäten der Adidas-Gruppe stützen.

Adidas kann dabei auch seine Erfahrung im Outdoorsport nutzen. "Terrex war ein sehr, sehr gutes Projekt. Die Idee, alle Outdoor-Produkte unter einer einzigen Marke zusammenzubringen, hat sehr gut funktioniert. Wer mich kennt, weiß, weshalb ich ein Mountain Freak bin, im Sommer wie im Winter. Ich kann Ihnen sagen, dass das Produkt hervorragend ist. Und dieser Geschäftsbereich setzt rund eine halbe Milliarde Euro um. Wir wissen alle, dass der Outdoor-Markt ein Wachstumsmarkt ist und dass wir alles Notwenige vereinen, um Teil davon zu sein, sowohl im Winter als auch im Sommer". Der CEO sieht auch im Golfsport starke Wachstumsperspektiven für Adidas und richtet den Fokus bewusst auf Wintersportarten.

Im Bereich Mode und Lifestyle will Bjørn Gulden das Markenpotenzial von Adidas ebenfalls besser ausschöpfen. 2015 gelang ihm bei Puma mit Rihanna ein großer Coup. "Es wurde Adi vorgeworfen, nicht genügend Leidenschaft für die Marke zu generieren und nicht genug dafür zu tun. Sehen Sie sich die Collaborations an, die Adi in den 18 bis 24 vergangenen Monaten umgesetzt hat: Moncler, Prada, Gucci und Balenciaga. Man kann gar keine bedeutenderen Partner haben als diese! Man könnte allenfalls darüber diskutieren, dass es zu viele Collabs in einem kurzen Zeitraum gab. Aber ich denke, das hängt damit zusammen, dass viele davon aufgeschoben werden mussten, und das hat sich auf die Markteinführung ausgewirkt. Wenn ich mir die Liste der Marken ansehe, die mit uns arbeiten wollen, habe ich das Gefühl, dass wir in hervorragender Verfassung sind. Und mit berühmten Namen wie Pharrell, Beyonce, Bad Bunny und aktuell Jenna Ortega verfügen wir über einzigartige Partner, die uns in der Street Culture verankern". Ein eleganter und diplomatischer Ansatz des Geschäftsführers hinsichtlich seines Vorgängers und vor allem der bestehenden Teams von Adidas. Diese sind durch die Erfahrung mit der Marke Yeezy vorsichtiger geworden, die aufgrund der Skandale um die Person von Kanye West für Adidas zum Problemdossier wurde.

Schnell skizzierte Bjørn Gulden auch Entwicklungspotenziale, so die Idee, die Anzahl Modelle (oder Franchisen) zu prüfen: "Zu viele Produkte und zu viele Sonderaktionen", befindet der CEO. Er erwähnte die Schwierigkeiten in China und die bedeutenden Lagerbestände in Europa. Das Projekt Yeezy hat er abgehakt: "Wir haben ihn verloren". Und er verriet, dass die Dynamik der Modelle Gazelle, Samba und Spezial anzieht.

Der neue Chef lenkte die Aufmerksamkeit lieber auf einen starken und öffentlichkeitswirksamen Partner: Pharrell Williams. Der Sänger des Feelgood-Songs "Happy" ist mit seinem Humanmade-Angebot Testimonial der Marke. "Pharrell, der auch der Menswear-Leaddesigner von LVMH ist, ist der wohl angesagteste Designer bzw. kreative Kopf überhaupt. Die Tatsache, dass er sich in Paris niederlässt und sich uns annähert, ist für uns natürlich immens wichtig. Und ich denke, dass Jenna (Ortega, Anm. d. Red.) wahrscheinlich die hipste weibliche Celebrity ist, die man heute verpflichten kann. In den ersten zwei Wochen waren die Auswirkungen bereits deutlich spürbar".

Hin zu einer europäischen Schuhproduktion?



Eine weitere Thematik mit der die Marke, wie auch die ganze Sportbranche, konfrontiert ist: Die Produktionsfrage. 2019 legte das Unternehmen das Speedfactory-Projekt still, das den Bau einer automatisierten Schuhfabrik vorsah. Der neue CEO des Sportausrüsters wagt indes bereits in seinen ersten Wochen im Amt, die Frage einer europäischen Produktion aufzuwerfen. "Besonders einzigartig ist, dass wir eine Schuhfabrik in Europa, in Deutschland haben, nur gerade 40 Minuten von hier entfernt in Scheinfeld. Hier verfügen wir über die Kapazität, sehr vielfältige Schuhmodelle herzustellen, wie den Copa Mundial. Ich denke, dass wir dies intensiver als bisher nutzen werden. Die europäische Produktion und die europäische Entwicklung, sind ein Juwel, gerade bei Collaborations mit Kunstschaffenden und wenn Made in Germany und Made in Europa sinnstiftend sind. Das haben wir noch nicht eingesetzt. Und da ich ein Produkt-Fanatiker bin, denke ich, dass wir dies mehr denn je nutzen werden. Man darf auch nicht vergessen, dass die Kompetenz in der Schuhproduktion in Europa gar nicht zu einfach zu finden und zu erreichen ist. Wir können dieses Tool als Ausbildungszentrum nutzen und dabei sicherstellen, dass wir die Produkt-Expertise, besonders bei den Schuhen, nie aus den Augen verlieren".

Und genau darin liegt die Herausforderung für Bjørn Gulden: Er muss aus dem globalen Riesen Adidas ein Unternehmen machen, das über lokale Kapazitäten verfügt. Natürlich kann dies mit Blick auf die Produktion nicht sofort geschehen. Doch ansonsten wurde das Tempo vorgegeben: "Die Welt wird nicht zentraler oder globaler. Es ist sehr schwierig, Produkte zu finden, die in allen Regionen und Märkten gut funktionieren. Auch wird die Geschäftstätigkeit über das Jahr hinweg nicht immer gleich verteilt. Für uns, die wir Kreationszentren in Tokio, Shanghai, in den USA und nun auch in Indien und Europa haben, bedeutet dies, dass wir lokaler werden müssen".

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