Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
08.07.2021
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Dior-CEO Pietro Beccari über Pop-Ups, Collaborations und Markenattraktivität

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
08.07.2021

Nur wenige Managementjobs weltweit sind profilierter als derjenige des CEO von Christian Dior. Die Marke ist in Frankreich eine heilige Institution und Dior ist der wohl berühmteste französische Name aller Zeiten.


Dior-CEO Pietro Beccari - Dior


Das Wohlergehen des Hauses wird in Paris von allen Gesellschaftsschichten aufmerksam verfolgt und die Schöpfungen von Dior sind für Hunderte von Millionen Modefans weltweit eine Quelle endloser Faszination.

Wir trafen den energischen und doch angenehm entspannten CEO Pietro Beccari, der für das Modehaus an zahlreichen Fronten tätig ist: Von der Erschaffung eines brandneuen globalen Hauptsitzes an der Avenue des Champs-Elysées über die Eröffnung Dutzender Pop-up-Stores von Mykonos bis Miami bis hin zur fast schon monatlichen Schauen-Tour der Dior-Kollektionen. Im vergangenen Monat war Dior mit der Cruise Collection in Athen und diese Woche für die Haute Couture Schauen in den Gärten des Rodin-Museums in Paris. Und genau da trafen wir Pietro auf ein Gespräch.

FashionNetwork.com:  Wieso ist es für eine Marke wie Dior so wichtig, Haute Couture zu entwerfen?
Pietro Beccari: Mit Couture hat alles angefangen, nicht? Wenn Sie an die Avenue Montaigne denken, wo wir gerade restaurieren, und den Haute Couture Salon. Mit Couture fing alles an. Hier kommt das Ergebnis des Know-hows zusammen. Couture ist für unser Image zentral, um dieses Know-how und die Traditionen den Kunden zu übermitteln. Unsere größte Herausforderung heute ist es, ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Moderne zu finden. Das ist die größte Herausforderung für einen CEO und Kreativdirektor. Jeden Tag sind Millionen von Entscheidungen zu treffen, man geht rechts oder links, um das richtige Gleichgewicht zu wahren. Couture ist das richtige Medium für die Tradition.

FNW: Wie sieht die Organisation im neuen Gebäude an den Champs-Elysées aus?
PB: Zurzeit sind wir auf so viele Gebäude in Paris verzettelt. Da das Unternehmen weiter wächst, kommen immer mehr Menschen hinzu. Deshalb ist es wichtig, alle zusammenzubringen. Deshalb wird das Gebäude der Champs-Elysées, das bis Ende 2023 eröffnet werden sollte, alle unter derselben Unternehmenskultur vereinen.

FNW: Was hat es mit der Pop-up-Euphorie diesen Sommer auf sich? Haben alle bemerkt, dass sich da wirklich was getan hat?
PB: Wenn Sie sich meine persönliche Geschichte ansehen, habe ich schon immer daran geglaubt, Kunden im Urlaub eine andere Seite der Marke zu zeigen, die sie nicht erwarten. So folgen wir ihnen auf eine Art und Weise, die sich vom Eindruck ihrer wundervollen Stores zu Hause unterscheidet. Wir sprechen oft über Tradition und Modernität in der heutigen Zeit. Modernität heißt auch, etwas Überraschendes, Frisches zu bieten. Wie wenn man nach Bordeaux geht und dort einen wunderschönen neuen Store vorfindet.


Ein vor kurzem in Italien eröffneter Dior-Pop-up-Store - Alessandro Garofalo


FNW: Oder Mykonos?
PB: Ja, wir haben zwei Läden in Mykonos. 
 
FNW: Ja, das habe ich gesehen! Eine große Herausforderung, oder?
PB: Sie behaupten sich sehr gut. Doch wir hatten sie schon im vorigen Jahr.
 
FNW: Was für ein Jahr ist 2021 für Dior?
PB: Für diese Antwort müssen Sie noch zwei Tage warten, bis wir die Ergebnisse veröffentlichen! Herzhaftes Lachen. Aber lesen Sie es mir doch einfach aus dem Gesicht. Leises Lachen.

FNW: Es ist wohlbekannt, dass sich LVMH sehr vorsichtig an das Internet und den Onlinehandel herangetastet hat. Welchen Anteil am Umsatz macht der E-Commerce aktuell aus?
PB: Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber sagen wir mal, es ist weniger als bei Mitbewerbern, da wir erst vor vier Jahren in die digitale Welt eingetaucht sind. Somit haben wir nicht 10 Jahre Erfahrung wie Gucci und Hermes. Es ist ein guter Anteil, aber er ist nicht mit demjenigen anderer Marktteilnehmer vergleichbar.

FNW: Ganz allgemein für eine Luxusmarke – wo sehen Sie Dior in fünf Jahren? Welcher Anteil des Umsatzes wird digital erzielt?
PB: Ich denke, es haben sich viele über die Pandemie geäußert und Dinge gesagt wie: "Nichts wird mehr wie vorher sein". Ich mache nicht gerne allgemeine Aussagen über die Branche, da bin ich zu bescheiden. Ich kann Ihnen sagen, dass sich Dior von anderen Marken unterscheidet. Der Anteil bedeutet nicht viel, da man auf den richtigen Preispunkt für den Onlinehandel setzen und bis zu 25 Prozent erreichen kann. Oder aber man verfolgt eine selektivere Strategie und visiert 5 bis 6 Prozent an. Dior wird wahrscheinlich näher beim zweiten Fall liegen. Ich bin fest von der Bedeutung physischer Stores überzeugt. Die Marke investiert Geld in die Avenue Montaigne und in Flagship-Stores in aller Welt. Wir glauben sehr an den Wert menschlicher Kontakte. Wir haben Kunden, die ihre Einkäufe in aller Ruhe zuhause vorbereiten, aber dann in den Laden kommen. Die Kunden mögen diese fließende Interaktion. Sie kommen in den Store und wenn sie keinen Termin ausmachen können, rufen sie den Verkaufsmitarbeiter an und bestellen für einen oder zwei Tage später.

 

Dior Men - Frühjahr/Sommer2022 - Menswear - Paris - © PixelFormula


FNW: Was geben Sie prozentual für Werbung in verschiedenen Medien aus?
PB: Ich bin nicht für die Prognosen oder Werbeausgaben zuständig. Aber wir befassen uns noch immer mit Werbebudgets in Zeitschriften.

FNW: Wollen Sie mit Reisekollektionen weiter auf Reisen gehen? Denken Sie, das ist wichtig?
Pietro Beccari: Nun, wir haben eben erst in Athen defiliert. Wir sind davon überzeugt, dass unter Druck gute Ergebnisse entstehen. Wir glauben an diesen Adrenalinstoß in letzter Minute. Ich denke, unsere Show in Athen und die Präsentation echter Schauen sind das beste Beispiel dafür, dass wir unsere Vision in die Tat umsetzen und nicht nur einfach darüber reden.

FNW: In welchen Produktkategorien rechnen Sie mit Wachstum? Welche neuen Kategorien sind aufgetaucht?
PB: Ich denke, was man feststellt, ist, dass Dior ein sehr ausgewogenes Unternehmen ist. Auch hier will ich aus offensichtlichen Gründen nicht für andere sprechen. Die nächste Capsule Collection ist für die Bergkulisse, Dior Hiver. Wir zeigen sie im September in Orten wie Sankt Moritz, Aspen, ….

FNW: Wird es je ein Dior Hotel geben? Wir wären gespannt.
PB: Fragen sie mich das in einem Jahr nochmals! Lautes Lachen. Ich denke nicht, dass wir ein Hotel machen werden, aber vielleicht etwas ganz besonders.



Christian Dior - Herbst/Winter 2021 - Haute Couture - Paris - © PixelFormula


FNW: Was hat Ihnen Bernard Arnault (CEO von Dior-Mutter LVMH) gesagt, als er Ihnen diese Position bei Dior anvertraute?
PB: Ich solle versuchen, die Visibility der Marke zu erhöhen. Sie so begehrenswert wie möglich zu machen, denn die heutige Begehrtheit ist der Umsatz von morgen. Wir sprechen oft über Attraktivität. Mr. Arnault interessiert sich nicht für Kurzfristiges, er denkt langfristig und das lebt er stets vor. Er denkt immer darüber nach, was für die nächste Generation gemacht werden muss, und rennt nicht einfach dem Umsatz nach.

FNW: Ohne erneut über die Branche zu sprechen, leben wir in einem Zeitalter der Zusammenarbeit. Nur wenige Designer sind aktiver an Collaborations beteiligt als Kim Jones. Wieso sind Sie so vernarrt in Collabs?
PB: Zunächst möchte ich sagen, dass ich dafür bin, den Designern die Freiheit zu geben, das zu tun, was sie wollen. Auch hier geht es um die Begehrtheit von Dior. Ich liebe, was Kim tut. Ich fand es eine geniale Idee, mit einem Musikkünstler wie Travis Scott zusammenzuarbeiten. Es war einzigartig und etwas ganz Besonderes. Schließlich lassen sich alle von jemandem inspirieren. Seine Kunst als Musiker ist seine Inspiration, durch die er sich direkt auf die Zusammenarbeit einlassen kann. Es ist ein fantastisches Aufeinandertreffen großer Geister. Alles, was er tut, ist eine Bereicherung für Dior und auch für ihn als Person.
 
FN: Was hätten Sie in Ihrem Leben gerne getan, wenn Sie nicht CEO von Dior geworden wären?
PB: Ach, das ist interessant. Ich weiß es nicht. Ich mag Architektur. Und Innenarchitektur, vielleicht hätte ich also diesen Weg eingeschlagen.
 

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