×
Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18.01.2023
Lesedauer
3 Minuten
Teilen
Herunterladen
Artikel herunterladen
Drucken
Drucken
Textgröße
aA+ aA-

Grace Wales eröffnet die Pariser Herrenmodewoche mit Baldwins Bildungsroman und Fanons Kampfgeist

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18.01.2023

Grace Wales Bonner ist eine britische Designerin afro-karibischen Ursprungs, deren Zusammenarbeit mit Adidas ein großer Erfolg wurde. Doch ihre Show am Dienstagabend am Place Vendôme fühlte sich wie ein vollkommen pariserischer Modemoment an.


Grace Wales Bonner - FN


Wales Bonners Inspiration stammt von mehreren Künstlern und Politologen, die sich in der Nachkriegszeit in Paris niederließen. Ihre Kollektion ist ein Versuch, durch ihre Kleider zum Ausdruck zu bringen, wie diese Freidenker der Nachkriegszeit ihr Talent und ihre Gedanken entfalteten.

Grace Wales Bonner wurde durch ihre erste Show im Jahr 2014 berühmt, in der sie wegweisende Entwürfe und neuartige Schnitte präsentierte. Darin griff sie auf die Entdeckung des vestimentären Stils durch ihre Vorfahren in London zurück, und wie diese dem Kleidungsstil ihren eigenen Stempel aufdrückten. In dieser Saison spielte sie in ihrer neuen Kollektion mit einer besonderen Epoche in der Geschichte, als schwarze Vordenker nach Paris kamen, um ihre Ideen auszurücken und ihre eigenen Kulturen zu befreien. Vom Dichter Aimé Césaire über die Tänzerin Josephine Baker, den Schriftsteller und Senator Alioune Diop bis hin zum Schriftsteller James Baldwin und dem Politiker Frantz Fanon.

Wie bei ihrem Debüt begann die Show mit einem wundervoll geschnittenen Wollmantel mit kontrastierendem weißen Kragen und endete mit zwei fabelhaften Smokings – einer in Schwarz mit Streifen und Paspelierung, der andere mit verschobenen versteckten Knöpfen und kontrastierendem Kragen. Tadellose Schnitte, verblüffende Accessoires, bei beiden eine Perlenbrosche. Die beiden Outfits sind die vestimentäre Verkörperung des Versuchs dieser schwarzen Künstler, dem latenten Rassismus ihrer Zeit zu entkommen.

Während sich die Gäste einfanden, spielte der brillante Trompeter Hermon Mehari klagende und deklamatorische Jazzmelodien wie Miles Davis. 

Grace verfügt über das Talent, Haute-Gamme-Schnitte mit feinstem Sportstil zu verbinden. Sehr beispielhaft gelang ihr dies in ihrer Zusammenarbeit mit Adidas, die Mikrofasershirts und -tops umfasste, und ein neues WB-Logo.

Enganliegende vertikal gerippte Strickwaren mit horizontalen Motiven, oder elegante Gentleman-Hosen mit umgestülpter Satin-Taille, gemischt mit XL-Mäntel aus Wollbouclé oder zerknitterter rosafarbener Seide – alles Stoff für eine großartige Garderobe.


Grace Wales Bonner - FN


Eine wichtige Neuerung bot die Designerin mit der Erweiterung um Damenbekleidung – von Strickkleidern mit Nackenbändern über Röcke mit Ösen bis hin zu bestickten Jacken und Blazern.

Jüngere Models trugen Graces kontrastierende Blazer – darunter die 16-jährige Raee Kebede, Tochter des äthiopischen Altmodels Liva Kebede. Diese trug eine Trainingsjacke und einen Macramé-Rock.

Wales Bonner wählte darüber hinaus eine symbolische Location – das grandiose Hotel d’Evreux im Nordwesten des Place Vendôme – "das Epizentrum des europäischen Luxus", so die Designerin. Für ihre Show erntete sie anhaltenden Applaus, ein persönlicher Triumph nach dem besten Ausdruck postkolonialen Stils, den die Mode je gesehen hat.

Die Show mit dem Titel 'Reverie' regte zum Nachdenken an über diese Gruppe vielfältiger Künstler of Color, die sich von der französischen Kultur inspirieren ließen und sie ihrerseits beeinflussten. In einer Zeit, in der so viele konservative Mainstream-Medien Stunden und Kolumnen dafür aufwenden, die Woke-Kultur und Black Lives Matter anzugreifen, machte diese Laufstegshow ein wichtiges humanistisches Statement.
 
Audaces fortuna juvat.

Copyright © 2023 FashionNetwork.com Alle Rechte vorbehalten.