Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
18.01.2023
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Lacoste-Chef Thierry Guibert über das Wachstum der Marke und die Strategie für 2023

Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
18.01.2023

Lacoste blickt auf ein außergewöhnliches Jahr 2022 zurück. Das französische Premium-Sportbekleidungslabel erzielte ein starkes Wachstum und beendete das Jahr mit einem hervorragenden Plus von 26 %. Thierry Guibert, der seit 2015 an der Spitze von Lacoste steht, verkündete, dass die Marke die 2,5-Milliarden-Euro-Umsatzmarke überschritten hat, doppelt so viel wie Mitte der 2010er Jahre. FashionNetwork.com traf sich mit dem dynamischen Präsidenten der Marke der MF Brands Group, die sich im Besitz der Schweizer Familie Maus befindet, am Hauptsitz des Unternehmens im 16. Arrondissement von Paris. Die Gelegenheit, mit ihm die Gründe für diesen Erfolg zu entschlüsseln, den neuen kreativen Ansatz der Marke nach dem Weggang der künstlerischen Leiterin Louise Trotter zu verstehen, aber auch über seine Ambitionen für die kommenden Jahre zu sprechen – denn bis 2026 strebt Thierry Guibert einen Umsatz von 4 Milliarden Euro an.


Thierry Guibert, Präsident von Lacoste - Lacoste


FashionNetwork.com: Am 10. Januar haben Sie den Weggang von Louise Trotter bekannt gegeben. Warum dieser Wechsel?

Thierry Guibert: Vier Jahre sind ein ziemlich klassischer Zeitraum der Zusammenarbeit zwischen einer Marke und einem Creative Director. Gleichzeitig haben wir die Gen Z und die Millenials mit verschiedenen Projekten, an denen viele kreative Communities um uns herum beteiligt waren, massiv zurückgewinnen können. Es stellte sich also die Frage, ob das zukünftige Modell von Lacoste nicht darin bestehen sollte, sich auf diese Communities zu stützen? Louise hat bemerkenswerte Arbeit geleistet, was die Kreativität der Kollektionen und die Entwicklung einer Reihe von Segmenten wie der Damenbekleidung angeht. Die derzeitigen Ergebnisse der Marke sind ein Beweis dafür.

FNW: Lassen Sie uns über diese Ergebnisse sprechen. Welche Faktoren haben zu diesem Wachstum geführt?

TG: Wir sind im letzten Jahr um 26 % auf 2,5 Milliarden Euro gewachsen. Ich bin normalerweise recht bescheiden, aber wenn man bedenkt, dass wir 2021 bereits wieder auf dem Niveau von 2019 waren, ist das ein außergewöhnliches Wachstum. Wir liegen über dem Markt, aber auch über unseren Wettbewerbern. Vor allem ist es ein ausgewogenes Wachstum in Bezug auf die geografischen Regionen mit fast 30 % in Europa, 24 % in den Vereinigten Staaten, 20 % in Asien (ohne China), 60 % in Südamerika und sogar 15 % in China trotz der dortigen Lockdowns im Jahr 2022. Das Wachstum ist auch in Bezug auf die Produktkategorien ausgewogen, mit einem Spitzenwert von 30 % bei Schuhen. Wir waren positiv überrascht, weil wir das ganze Jahr über ein lineares Wachstum zwischen 25 % und 30 % verzeichnen konnten. Die ganze Arbeit an der Marke hat sich 2022 ausgezahlt.

FNW: Ihr wichtigster Markt waren lange Zeit die USA, ist das immer noch der Fall?

TG: Nein, Frankreich ist unser größter Markt und macht 18% unseres Umsatzes aus. Auf die USA entfallen 14 %. Innerhalb von fünf Jahren haben wir unseren Umsatz verdreifacht. Wir haben in Frankreich 150 Millionen umgesetzt, und in diesem Jahr sind wir bei über 450 Millionen. Unsere Stärke ist, dass wir über ein sehr ausgewogenes Geschäft verfügen. Wir sind nicht von einem einzigen Markt abhängig, hinter Frankreich und den Vereinigten Staaten haben wir Südkorea mit 9 % und viele Märkte zwischen 5 und 9 % des weltweiten Geschäfts.

FNW: Dieses Wachstum beruhte auf der Weiterentwicklung des Angebots und insbesondere auf der Ansprache einer jüngeren Kundschaft. Wie sah Ihre Strategie aus?

TG: Es ist eine langwierige Arbeit der letzten fünf bis sechs Jahre gewesen, die kompliziert zusammenzufassen ist. Als ich Ende 2014 anfing, hatte Lacoste noch immer einen sehr guten Ruf, aber eine zweifellos geringere Begehrlichkeit und eine etwas abgekapselte Garderobe, sehr polo-lastig für die Mittvierziger. Allerdings trugen junge Leute aus den Vorstädten Lacoste... Als ich ankam, sagte ich, dass der Tag, an dem die Vorstädte aufhören, Lacoste zu tragen, mir Sorgen bereiten würde. Außerdem kommt die Kreativität in erster Linie von der Straße.

Als wir also vor 4-5 Jahren die Markenplattform und die strategische Ausrichtung festlegten, wollten wir ein Gleichgewicht bewahren, das es uns erlaubte, auf einem sehr soliden Fundament aufzubauen: Qualität und eine schicke Freizeitgarderobe. Und wir hatten das Glück, dass sich die allgemeinen Trends in Richtung dieses Stils entwickelten, hin zu mehr Casual und mehr Tailoring. Zu einem bestimmten Zeitpunkt stellten wir fest, dass die Millenials und Gen-Z die Marke zwar kannten, aber nicht das passende Angebot fanden. Von dem Moment an, in dem es uns gelang, den Spagat zwischen der Beibehaltung der DNA der Marke und der Weiterentwicklung der Garderobe in Bezug auf Produkte, Farben und Silhouetten zu schaffen, konnten wir eine starke Beschleunigung bei diesen jungen Verbrauchern feststellen. Wir haben uns auch den Trend von Off-White und anderen zunutze gemacht, der die Streetwear revolutioniert und sie zu etwas Luxuriösem gemacht hat.


Die Marke sieht großes Wachstumspotenzial im Bereich Womenswear - Lacoste


FNW: Zu dieser Arbeit gehört auch die direkte Übernahme mehrerer Lizenzen und kürzlich der Wechsel der Parfümlizenz. Wie lange hat das gedauert?

TG: Eine Lizenz zu übernehmen bedeutet, den kreativen Prozess zu übernehmen. Das bedeutet, dass es drei bis vier Jahre dauert, bis die Auswirkungen der Veränderung in den Geschäften zu spüren sind. Aber die Zahlen sprechen für sich: In fünf Jahren haben wir die Größe der Marke verdoppelt. Es handelt sich um unterschiedliche Produktkategorien, aber insbesondere mit Louise (Trotter) haben wir an Saison-Briefings gearbeitet, die aus Moodboards bestanden und auf alle Produktkategorien ausgerichtet waren. In der ersten Saison haben wir den Prozess verfeinert, und in den letzten drei Saisons hat das Studio an der Kohärenz der Kollektionen gearbeitet. Bei den Schuhen zum Beispiel erleben wir ein ganz außergewöhnliches Wachstum.

FNW: Sie haben an der Identität von Lacoste gearbeitet und die Silhouette neu definiert. Sie verfolgen einen Entwicklungsplan bis 2026. Was sind Ihre Ziele?

TG: Der Plan, den wir 2021, nach einer schwierigen Zeit aufgrund der Covid-19-Pandemie, erstellt haben, sah vor, 2026 einen Umsatz von drei Milliarden Euro zu erreichen. Aber jetzt sind wir diesem Ziel zwei Jahre voraus. Unser Ziel ist es also, bis zu diesem Zeitpunkt die vier Milliarden Euro zu erreichen.


Lacoste erweitert sein Sneaker-Angebot - Lacoste


FNW: Das bedeutet eine Verdoppelung Ihres Umsatzes in fünf Jahren. Wo sehen Sie noch Spielraum für Verbesserungen?

TG: Wir sehen in vielen Kategorien ein enormes Potenzial. Schuhe haben wahrscheinlich das größte Potenzial. Heute machen sie nur 20 % unseres Geschäfts aus, und das in einem riesigen und wachsenden Sneakermarkt. Lange Zeit waren wir auf Lizenzbasis tätig, wobei die Kreativität ein wenig eingeschränkt war. Jetzt ist unser Angebot segmentiert, mit einem Active- und Sport-Performance-Angebot. Derzeit macht der Schuhbereich etwas weniger als 500 Millionen Euro aus. Wir können diese Zahl in den nächsten vier Jahren verdreifachen. Damenbekleidung bietet weiteres Wachstumspotenzial. Wir haben unsere Damengarderobe neu definiert: schick und elegant, mit angenehmen Materialien und einem aktiven Ansatz. Heute macht dieser Bereich 17 % unseres Textilgeschäfts aus, und 23 % insgesamt, wenn wir Schuhe mit einbeziehen. Wir werden nie 50 % des Umsatzes mit Damenbekleidung erreichen, aber wir haben Raum für fünf bis zehn mögliche Wachstumspunkte. Und wir haben Parfüms.

FNW: Was die Parfümlizenz betrifft, so haben Sie kürzlich bekannt gegeben, dass Sie Coty verlassen und zu Interparfums wechseln werden. Was war der Grund für diesen Wechsel?

TG: Parfüm ist kein 2,5-Milliarden-Euro-Geschäft, weil es eine Lizenz ist. Aber es hat ein enormes Potenzial. Es ist die einzige Kategorie, die nicht so stark gewachsen ist wie die anderen. Außerdem hat es unserer Meinung nach in den letzten drei Jahren etwas an Kreativität gefehlt. Wir werden mit Interparfums zusammenarbeiten, das über viel Kreativität verfügt und in der Lage sein wird, Lacoste zu einem Aushängeschild seines Portfolios zu machen. Und wir haben den Ehrgeiz, uns geografisch in den Vereinigten Staaten, aber auch in China weiterzuentwickeln. Die Partnerschaft wird am 1. Januar 2024 mit der Einführung eines Herrenduftes in Kraft treten.

FNW: Welchen Stellenwert hat der digitale Kanal in Ihrer Strategie?

TG: Es ist wahrscheinlich einer der Schlüsselpunkte unserer aktuellen Performance. Als ich 2015 zu Lacoste kam, machte der E-Commerce 3 % des Umsatzes aus. Wir lagen weit hinter unseren Wettbewerbern zurück. Heute sind wir bei 26 %. Wie alle anderen wurden auch wir von der Covid-Pandemie in diesem Kanal angetrieben. Im Jahr 2020 hatten wir einen Umsatzrückgang von etwa 10 %, das ist fast dreimal weniger als bei unseren Wettbewerbern. Und das ist der Beschleunigung unseres E-Commerce zu verdanken, denn wir haben in den vergangenen fünf Jahren stark investiert. Wir haben unsere Digital Factory aufgebaut, unser Team, das sich ausschließlich mit diesem Kanal beschäftigt. Wir haben in Lösungen und in das Backoffice investiert. Wir stehen jetzt bei 25 % des Umsatzes und haben das Potenzial, auf über 30 % zu wachsen.

FNW: Gleichzeitig setzen Sie weiterhin auf den physischen Handel, insbesondere mit der Eröffnung Ihres Flagship-Stores auf den Champs-Elysées im letzten Sommer...

TG: Es gibt viele Wechselwirkungen zwischen E-Commerce und Einzelhandel. Unser Ansatz ist eher omnichannel-orientiert. Aber das bedeutet, dass wir eine Strategie verfolgen, die sich weiterentwickelt hat. In der Vergangenheit hatte die Marke eine Vielzahl von Franchisepartnern. Wir haben auf einen homogeneren Ansatz hingearbeitet. Und in der Tat haben wir größere Läden wie den auf der Champs-Élysées eröffnet.


Der Lacoste-Store auf den Champs-Elysées - Lacoste


FNW: Wie sieht Ihre bisherige Bilanz aus?

TG: Es ist eine sehr angenehme Überraschung. Es ist ein 1.600 Quadratmeter großer Laden, also eine sehr große Investition. Aber wir haben unsere Ziele weit übertroffen. An manchen Samstagen haben wir fast 10.000 Besucher, was bis zu 10 % des Verkehrs auf der Avenue des Champs-Elysées ausmacht. Das ist enorm! Insgesamt liegt die Leistung jetzt 40 % über unseren Prognosen. Sehr interessant ist auch, dass wir dadurch die Schuhe und die Damenbekleidung, die vorher, außer im digitalen Bereich, nicht sehr sichtbar waren, sichtbarer machen konnten. Wir konnten feststellen, dass unsere Kunden diese Erweiterung des Angebots durchaus begrüßen. Es beweist auch unseren Partnern, dass sie bei Lacoste ein Budget jenseits von Polohemden einplanen können.

FNW: Heißt das, dass Sie die Entwicklung dieses Konzepts in Ihrem Wachstumsplan für 2026 vorantreiben werden?

TG: In der Tat werden wir im April ein 800 Quadratmeter großes Geschäft in London in der Regent Street eröffnen. Und wir sind dabei, Verhandlungen für eine ähnliche Eröffnung in der 5th Avenue in New York Anfang 2024 abzuschließen. Wahrscheinlich werden wir auch in Shanghai ein solches Geschäft eröffnen. Wir haben dort im letzten Sommer einen schönen 350 Quadratmeter großen Store in einem Einkaufszentrum eröffnet, der aber noch kein Flagship-Format hat.

FNW: Was sind Ihre Erwartungen für 2023?

TG: Ich rechne mit einem komplizierten Jahr 2023. Ich denke, dass es ab März/April schwieriger werden wird, weil die europäischen Verbraucher finanziell stark belastet werden, insbesondere durch die Energiekosten. Hinzu kommt, dass einige Einzelhändler große Lagerbestände haben. Sie werden also wahrscheinlich zukünftige Bestellungen bremsen. Es gibt vieles, was wir nicht wissen, aber für Lacoste haben wir eine gute Auftragslage. Wir müssen vorsichtig bleiben. Im vergangenen Jahr haben wir den Markt um 15 bis 20 Punkte übertroffen. Ich weiß nicht, ob wir diese Dynamik beibehalten werden, aber wir streben für 2023 wieder ein zweistelliges Wachstum an. Das steht im Einklang mit unseren Zielen.

FNW: Innerhalb der Maus Frères Group, der Eigentümerin von Lacoste, erstreckt sich Ihr Zuständigkeitsbereich auf alle Marken. Wie hat die Gruppe abgeschnitten?

TG: Insgesamt hatte die Gruppe ein sehr gutes Jahr 2022. Mit dem Schweizer Teil der Gruppe (Manor-Warenhäuser) ergibt sich ein Wachstum von 11 %. MF Brands ist um fast 20 % gewachsen.

FNW: Letztes Jahr haben Sie den Wunsch geäußert, Ihr Markenportfolio zu erweitern. Sind Sie bereit für neue Akquisitionen?

TG: Wir haben echte Investitionskapazitäten. Wir schauen uns Vermögenswerte an, die als "Premium" positioniert sind oder die Fähigkeit haben, dies zu werden. Ich habe das Glück, Familienaktionäre zu haben. Wir haben Zeit und würden niemals aus Eile heraus zu viel für ein Unternehmen bezahlen. Aber ich würde lügen, wenn ich Ihnen sagen würde, dass wir nicht enttäuscht wären, wenn wir in den nächsten 18 Monaten nicht einen weiteren Vermögenswert in das Portfolio aufnehmen würden.
 

 

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