Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18.02.2023
Lesedauer
4 Minuten
Herunterladen
Artikel herunterladen
Drucken
Textgröße

London Fashion Week startet mit Edward Crutchley, Huishan Zhang, Mark Fast und KWK

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18.02.2023

Ein dunkler Wintertag in Großbritannien brachte ebenso dunkle, mutige und elegante Mode hervor: Die London Fashion Week startete am Freitag mit verblüffenden Schauen von Edward Crutchley und KWK, der Partytiger-Energie von Mark Fast und einer wahnwitzigen Show von Huishan Zhang.
 
Edward Crutchley: Mittelalterlicher Wahnsinn und moderne Mode
Die London Fashion Week startete mit Edward Crutchleys Hipster-Historismus geschlechtsneutral in die neue Saison. Der Designer scheint ein schon fast enzyklopädisches Verständnis der Modegeschichte zu haben.


Edward Crutchley - Herbst/Winter 2023 - 2024 - Womenswear - Großbritannien - London - © ImaxTree

 
Crutchley verwendet generell so viele historische Anspielungen in seinen Stoffen und Entwürfen, dass er die historischen Wurzeln seiner Looks vor der Show klarstellt, um Missverständnisse zu vermeiden.

Für Edwards Verhältnisse war diese Show sehr zurückhaltend, was zu sehr tragbaren und kommerzielleren Entwürfen führte. Sein “Surcote” – ein mittelalterlicher Mantel, den er einleitend zeigte – war aus schwarz-weißem Gaze-Jacquard und sah vorzüglich aus, wie auch seine Trichterausschnitt-Parkas aus Recycling-Polyester, die übergroßen Wollmäntel und schicken gehäkelten Pullover.

Edwards Anzüge werden immer vollendeter – von urbanen Wollmänteln mit tiefsitzenden Schultern hin zu XL-Jacken mit V-Ausschnitt. Dazu verschiedene Clubbing-Versionen des “Coif” – eine traditionelle Ordenstracht – kombiniert mit Wollmützen.

Mehrere Holzschnittdrucke aus Richard Bretons “Die Trollatischen Träume des Pantagruel” aus dem Jahr 1665 wurden zu Cartoons umgewandelt und auf anderen coolen “Surcotes”, Etuikleidern und Tops abgebildet.

Und just, als der Verdacht aufkam, dass Edwards etwas zu sehr auf Nummer sicher geht, sandte er freche Nachbarinnen in passenden Seidentaft- und mehrschichtigen Rüschenhosen über den Laufsteg, oder einen muskulösen Typen in einer Biker-Jacke mit Ketten und oberschenkellangen Stiefeln auf den Weg zu einer Lederbar. Dazu dröhnte industrieller Cyperpunk von Bob Casey durch den Showspace, eine passende Musik für diese erstklassige Kollektion von Crutchley.

Kurzum: Gebt Crutchley endlich die Zügel eines Pariser oder Mailänder Modehauses in die Hand. Mit ihm wird Modegeschichte modern.

Huishan Zhang: Ein müder Knallfrosch



Die Pressemitteilung vor der Show war sehr vielversprechend, doch vermochte die Kollektion von Huishan Zhang nicht mit den Erwartungen Schritt zu halten.


Huishan Zhang - Herbst/Winter 2023 - 2024 - Womenswear - Großbritannien - London - © ImaxTree


Es sollte ein Hitchcock-artiger Femme-Fatale-Moment werden. Und um dies noch deutlicher zu machen, stammte das musikalische Eröffnungsstück von Bernard Hermanns Soundtrack des Hitchcock-Klassikers Vertigo.

Doch die Models auf dem Laufsteg passten etwa genauso zu Kim Novak oder Grace Kelly wie eine Hostess an einer Holiday Inn-Tagung zum Ritz.

Viel zu oft waren seine Details zu offensichtlich – formlose schwarze Wollmäntel und wadenlange Röcke und Blazer werden nicht besser, wenn man Stiftperlen und Pailletten darüber streut.

Doch Zhang hat Talent. Seine blassgrauen Trenchcoats mit Trichterausschnitt und eine Reihe paillettenbesetzter Kleider am Ende versprühten einen gewissen Elan. Doch konnten sie die Kollektion nicht retten.

Wer aber einen guten Modetexter sucht, sollte die Person anheuern, die Huishans Begleitheft verfasst hat.

KWK: Avantgarde-Avatare



Mitternacht und Dunkelheit mit absurden Fantasien gab KWK von Kay Kwok in einem beeindruckenden Ausdruck seines ‘experimentellen Expressionismus’ zum Besten.

Kwk By Kay Kwok - Herbst/Winter 2023 - 2024 - Womenswear - Großbritannien - London - © ImaxTree



Die Models trugen, ja, stützten, viele Looks in dieser Show, mit unglaublich aufwendigen Strukturen, die für jeden Look zusammengefügt, befestigt und zusammengeklebt wurden.

Riesige Kunststoffflügel, abstehende Schwertscheiden, ellenlange Tüllbahnen, zwei Meter lange silberne Luftschlangen, goldene Meeresmonster in einer Reihe Abendlooks. Bis hin zu einem gigantischen goldenen Herz, drei Mal so groß wie der Oberkörper des Models.

Stellenweise fühlte es sich so an, als bewerbe sich Kwok für einen Job bei Thierry Mugler, so schwer beladen waren die Kleider. Doch war dies nicht Thierrrys Cadillac Chic-Stil, sondern viel mehr Avatar Avantgarde – eine großartige Jubiläumsshow zum 10. Geburtstag der Marke.

Organisiert wurde die Show im Erdgeschoss der Vinyl Factory, einem fabelhaften Laden für klassische und Retro-Schallplatten. Passenderweise war auch der Soundtrack der Show brillant. Er wurde von der Geigerin, Sängerin und Nike-Botschafterin Daria Fisher für den Anlass kreiert.

Percy Bysshe Shelley, der 1811 unweit von diesem Standort entfernt wohnte, sagte, Dichter seien die unerkannten Gesetzgeber der Welt. Wenn er heute noch leben würde und an der KWK-Show teilgenommen hätte, würde er sein Urteil wohl auch auf Designer ausweiten – insbesondere Kay Kwok.

Mark Fast: Typisch Fast



High-street Couture vom Clubbing-Meister Mark Fast, der in Asien ein Star und in Großbritannien ein angesagter Designer ist.
 

Mark Fast - Herbst/Winter 2023 - 2024 - Womenswear - Großbritannien - London - © ImaxTree


Fasts Mode ist zum Glück keine Fast Fashion. Besonders seine hervorragenden Wickel-Strickkleider mit Lochmuster-Cutouts und bodenlangen Ärmeln. Oder seine Mini-Jacken, die für die Cocktail-Stunde mit Miniröcken kombiniert wurden. Alles hip und körperbetont.

Viele Monogramme, Logos und Mark-Fast-T-Shirts, sowie charakteristische Schuhmodelle – besonders seine vorzüglichen gesteppten Stiefel mit spitz zulaufender Form und nietenbesetzten Absätzen.

“Typische Motive von Fast wurden mit dunkler Allüre überarbeitet”, erklärte der Designer in seinem Begleitheft. Er habe sich auf “die verführerische Kalamität der Underground-Welten” gestützt, die “die Intrige einer geheimen Party” projizierten.

In seiner Co-ed-Kollektion zeigte Fast auch grandiose Puffertuniken, Arm-Accessoires und Mikroboleros.

Die Show für die Herbst-/Winterkollektion 2023 wurde in einem unscheinbaren Bürogebäude mit Metallplattenboden präsentiert und versprühte Elan und Schneid. Fasts Zukunft scheint zu Recht gesichert. 
 

Copyright © 2024 FashionNetwork.com Alle Rechte vorbehalten.