Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
23.09.2019
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Mailänder Modewoche unter dem Zeichen der Ökologie

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
23.09.2019

Die am Montag in Mailand zu Ende gegangene Modewoche stellt einen Wendepunkt dar. Zum ersten Mal in der Geschichte der Veranstaltung haben mehrere große Modehäuser ein wahres Engagement für die Umwelt zu Tage gelegt. Zahlreiche Nachwuchsdesigner haben vom Scheinwerferlicht der Laufstege profitiert, um angesichts der dramatischen Konsequenzen, die der Klimawandel nach sich zieht, Alarm zu schlagen. Dabei ist allen durchaus bewusst, dass es in der Modebranche, die zu den größten Umweltverschmutzern der Welt handelt, noch viel zu tun gibt.


Marni, Frühjahr/Sommer 2020 - © PixelFormula

 
Bei Marni verwendete der Designer Francesco Rissi die Fashion Week zur Übermittlung einer klaren und konkreten Botschaft. Der Designer sei erschüttert von einer Reise in das mit verheerenden Amazonas-Waldbränden kämpfende Brasilien zurückgekehrt und wollte "von der dringenden Notwendigkeit des Naturschutzes" berichten. Dies tat er auf seine eigene Weise, indem er eine Kulisse mit Palmen aus recyceltem Kunststoff errichtete und für seine Kollektion Stoffe wiederverwendete, die er selbst von Hand bemalte.

"Be part of the solution", "React", "Reduce" … So einige der Slogans, die das neue nachhaltige Label F_wd auf Sneakers aufdrucken ließ. F_wd wurde von der japanischen Onward-Gruppe während der Fashion Week in Mailand gegründet. "Ich verwende diese aktivistischen Botschaften und verwandle sie in figurative Logos, um das kollektive Bewusstsein zu erwecken. Wir müssen jetzt handeln, wenn es nicht bereits zu spät ist", mahnt Raphael Young, Kreativdirektor des Projekts. Sein Ziel ist es, Turnschuhe herzustellen, die zu 100 Prozent aus recycelten Materialien bestehen und zu 100 Prozent recycelbar sind. "Ich habe jahrelang für Luxushäuser gearbeitet und bin überzeugt, dass eine andere Art zu produzieren möglich ist", versichert er.

Ein weiteres Beispiel ist der Ansatz von Miuccia Prada, die sich über die umweltschädlichen Auswirkungen einer übermäßigen Konsumgesellschaft sorgt und diese Überlegungen mit dem Zweck einer Marke, zu produzieren und zu verkaufen, in Einklang zu bringen versucht. "Ich wollte nicht Mode machen, ich wollte einen Style entwerfen, eine Kollektion aus Basics, die lange Zeit zu unverzichtbaren Kleidungsstücken zählen werden und den frenetischen Kreislauf der Mode durchbrechen", erklärte die Kreativdirektorin des Modehauses nach ihrer Show.

Diese "Basics" waren auf den meisten Laufstegen wiederzufinden, der Trend ging deutlich in Richtung Minimalismus. Schlichte Stücke, auswechselbar, aus natürlichen Stoffen, ohne übermäßige Verzierungen. Von klassischen und vielseitig kombinierbaren Anzugshosen über feine Strickjacken bis hin zu Röcken und Sommerkleidern aus Baumwolle oder gehäkelten Stoffen. Wie zur Verdeutlichung der Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf das Wesentliche.

Natürlich steht dieser Trend nicht im Widerspruch zur Kreativität. Die Mailänder Designer haben durch die Qualität ihres Angebots einmal mehr ihr unvergleichliches Talent unter Beweis gestellt. Doch scheint sich mit zahlreichen schnörkellosen Kollektionen ein gewisser "Low Profile"-Ansatz breit zu machen. Im selben Sinne huschten auch zahlreiche monochrome Entwürfe über die Laufstege, meist in diskreten Pastelltönen.


Prada, Frühjahr/Sommer 2020 - © PixelFormula

 
Für Daniela Gregis, Öko-Pionierin in der Modebranche, fühlt sich diese Trendwende sicherlich wie eine Revanche an. Die lombardische Designerin, die seit 1997 auf Recycling setzt und seit über 15 Jahren mit vollständig in Italien von Hand gefertigten Kollektionen an der Mailänder Modewoche defiliert, versucht, die vorhandenen Ressourcen optimal auszuschöpfen. Sie dürfte sich um etwas Unterstützung in ihrem Bestreben sicherlich freuen.

Unter den Nachwuchsdesigner in Mailand befinden sich immer mehr Vertreter dieser Bewegung, wie der Römer Tiziano Guardini, der durch eine sorgfältige Zusammenarbeit mit Zulieferern und Partnern umweltverträgliche Kollektionen entwirft. Auch Stella Jean setzt sich für den Schutz und die Förderung des regionalen und traditionellen Know-hows ein. In ihrer jüngsten Kollektion rückte sie die Arbeit von Stickerinnen an der afghanisch-pakistanischen Grenze in den Fokus.

Das Nachhaltigkeitsanliegen, das bislang an der Mailänder Modewoche so gut wie unhörbar oder auf reine Kommunikationskampagnen beschränkt blieb, erhielt an dieser Ausgabe Aufwind und nahm eine neue Dimension an. Seit drei Jahren richtet die Camera Nazionale della Moda Italiana (CNMI) den Fokus auf die Bedeutung der Förderung nachhaltiger Mode. So hat sie die Green Carpet Fashion Awards ins Leben gerufen, als nachhaltig-modisches Gegenstück zu den Oscars. Die dritte Ausgabe dieser Veranstaltung fand am Sonntagabend zum Abschluss der Modewoche in La Scala statt. Unter den Teilnehmern befanden sich zahlreiche Prominente, wie Sophia Loren, Valentino Garavani und Lou Doillon.<<<4>>>
"Nachhaltige Entwicklung war eines der zentralen Themen dieser Woche. Wir haben besonders bei den Jungdesignern eine hohe Aufmerksamkeit und Verfügbarkeit im Umgang mit dieser Frage bemerkt", erklärt CNMI-Präsident Carlo Capasa. "Unsererseits bemühen wir uns, die Modewoche immer nachhaltiger zu gestalten, indem wir für unsere Veranstaltungen wiederverwertete Materialien verwenden und den Energieverbrauch reduzieren. In der kommenden Saison gehen wir das Problem der Mobilität an, die wir während dieser Veranstaltung unbedingt verbessern müssen", führte er weiter aus.

Eine Woche mit viel Engagement und ebenso viel Glamour. Der Mailänder Marathon wurde von aufregenden und mondänen Akzenten begleitet, die für Spannung und Begeisterung sorgten. Krönender Höhepunkt war der Auftritt von Jennifer Lopez bei Versace. Sie war ganz in grün gekleidet, im legendären "Jungle"-Kleid. Dieses Thema zog sich wie ein roter Faden durch die Modewoche, mit üppigem Pflanzendekor mit Palmen, Kokospalmen und Lianen bei Dolce & Gabbana und einem Dschungel aus recyceltem Kunststoff bei Marni. Eine schöne Parabel zur Zusammenfassung der heutigen Mode und ihrer Widersprüche.

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