Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
08.03.2019
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Massimo Piombini über seine neue Strategie für Balmain und das 500-Millionen-Euro-Umsatzziel

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
08.03.2019

Massimo Piombini hat einen Traum: Balmain soll das nächste 500-Millionen-Euro schwere Modehaus werden – nur sehr wenigen Runway-Marken gelingt es, diesem höchst exklusiven Club beizutreten.
Nach einem halbstündigen Gespräch mit Massimo Piombini besteht kein Zweifel: Dieses Ziel soll schon ziemlich bald erreicht werden, im Jahr 2022 genauer gesagt. Wer den Schauenkalender der vergangenen Modewochen in London, Mailand, New York und Paris genauer anschaut, dem fällt auf, dass von den rund 400 teilnehmenden Modehäusern gerade mal 30 diese symbolische Umsatzgrenze geknackt haben.

Doch mit der Energie und dem Talent von Balmains Kreativdirektor Olivier Rousteing und den umfangreichen Ressourcen des katarischen Inhabers des Modehauses, rückt Massimo Piombinis Ziel in greifbare Nähe. Wir trafen uns im neuen Pariser Flagship von Balmain mit dem CEO des Modehauses und sprachen mit ihm frei über seine Vision für die Zukunft von Balmain. Er will sein Unterfangen mit einem relativ neuartigen Ansatz angehen, der sich von der Strategie anderer Luxusmarken abgrenzt. Viele davon haben sich in den vergangenen zwei Jahrzenten stark darauf konzentriert, reihenweise neue Stores zu eröffnen und das Wachstum der Marken auf die Expansion im Einzelhandel zu stützen.

Doch wie der jüngste Balmain-Store in Paris folgt auch Piombinis Strategie für die Zukunft des Labels nicht dem branchenüblichen Vorgehen. Im 600 m² großen Flagship-Store am Faubourg Saint-Honoré vermischen sich auf zwei Stockwerken klassische Elemente – Parkett, Zierleisten im Haussmann-Stil und Schmiedeeisen – und zeitgenössische Einflüsse – riesige digitale Bildschirme, glatte, verspiegelte Tische, Wände und Decken und Occulus Rift VR-Headsets.

Balmain CEO, Massimo Piombini - Balmain


Pierre Balmain gründete sein Modehaus im Jahr 1945 und beschäftigte zu einem gewissen Zeitpunkt gar Karl Lagerfeld in seinem Studio. Er war für seinen raffinierten Sinn für Eleganz bekannt. Gertrude Stein pries Balmain in den höchsten Tönen und auch die Herzogin von Windsor war Kundin bei ihm. Nach seinem Tod im Jahr 1982 entfernte sich das Haus vom ursprünglichen Ruhm. Doch unter der kreativen Leitung von Olivier Rousteing gelang es dem Modehaus mit seiner sehr verführerischen, hochglamourösen Ästhetik, sich Fans wie Beyoncé, Rihanna und Jennifer Lopez zu sichern.

Mayhoola for Investments, der Investmentfonds des katarischen Herrscherhauses, übernahm Balmain im Juni 2016 für geschätzte EUR 460 Millionen, was rund dem vierfachen Jahresumsatz entspricht. Massimo Piombini, der zuvor neun Jahre lang für die ebenfalls zum Mayhoola-Portfolio zählende Marke Valentino tätig war, wurde im April 2017 zum CEO von Balmain berufen.

Der in Gallarate, unweit von Mailand, geborene Manager studierte an der renommierten Privatuniversität der Stadt, der Università Cattolica. Anschließend absolvierte er ein Masterstudium an der Universià Bocconi, bevor er für Procter & Gamble arbeitete. Massimo Piombini ist ein Cousin von Antonio Belloni, Group Managing Director von LVMH.<<<28>>>
Der selbstbewusste 59-jährige Manager gleicht eher einem Leiter eines Einsatzkommandos als einem Luxus-CEO. Und das kommt nicht von ungefähr, besitzt Piombini doch mehrere Barry's Bootcamp-Fitnessstudios in Italien und Frankreich, zwei davon in Mailand und ein weiteres demnächst in Paris.

Balmain Store in der 374 rue St Honoré - Photo: Diego De Pol


FashionNetwork.com: Können Sie uns erzählen, was das Ziel dieses neuen Stores war?

Massimo Piombini: Es ist unser erster wahrer Flagship-Store. Wir haben ein neues Konzept entwickelt und an mehreren Standorten getestet: Mailand, Miami und Las Vegas. Das ist unser Bauplan für die Zukunft. Paris ist unsere Stadt und unser Erbe.

FNW: Wie würden Sie die DNA von Balmain definieren?

Balmain ist eine starke französische Marke mit einem soliden Ready-to-wear-Geschäft und einem besonders modernen und talentierten Kreativdirektor. Die Marke hat in der Vergangenheit bedeutende Höhen und Tiefen erlebt, aber heute können wir Balmain mit unserem neuen Shareholder so richtig weiterentwickeln.

FNW: Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit hier von Ihrer Arbeit bei Valentino?

Die größte Herausforderung bei Valentino war es, den Übergang von Herrn Valentino zu den neuen Designern zu glätten. Wie Sie sich sicherlich erinnern, folgte zunächst Alessandra Facchinetti als Kreativdesignerin und das hat nicht geklappt. Doch dann kamen Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli und sie leisteten mit der Neuausrichtung von Valentino eine großartige Arbeit. Hier geht es aber nicht um eine Neupositionierung, sondern um die Aufstellung der Marke. Es ist, als befände sie sich in einem Dornröschenschlaf, und wäre nie richtig entwickelt worden. Wenn man darüber nachdenkt, so hat das Unternehmen keine wirkliche Einzelhandelssparte oder Accessoires-Abteilung und ist in Asien beispielsweise noch gar nicht vertreten.

Blick in den Store - Photo: Diego De Pol


FNW: Welche Investitionen planen Sie?

Wir investieren mit Capex, wie Sie im neuen Store sehen können. Wir investieren in Menschen und Strukturen, so zum Beispiel die neuen Regionalbüros. Außerdem haben wir nun SAP im Einsatz. Als ich meine Arbeit aufnahm, gab es noch keine Berichtsstruktur. Wenn man wissen wollte, wie viel Umsatz in einem bestimmten Geschäft erzielt wurde, musste man dort anrufen! Man muss sich das nur mal vor Augen führen: In den vergangenen zwei Jahren haben wir die Anzahl Angestellten von 200 auf fast 500 verdoppelt.

FNW: Wenn man weiß, wie gut Mayhoola mit Valentino gefahren ist, kann man sich vorstellen, dass sie das Unternehmen mit Balmain hoch hinaus will, nicht?

Absolut, auch wenn Valentino ein anderer Fall war. Sie kauften Valentino, als die Marke auf dem Weg zum Erfolg war, nachdem sie vier Jahre lang von der Private Equity Firm Permira geführt worden war. Signor Valentino hatte das Unternehmen 2007 verlassen, 2008 wurden Pierpaolo und Maria Grazia an Bord geholt. Als Mayhoola Valentino im Jahr 2012 übernahm, war die erste Phase des Business Plan bereits abgeschlossen.
 
Bei Balmain sprang Mayhoola jedoch ganz am Anfang dieses Prozesses ein, als das Unternehmen noch ganz klein war und fast kein Wachstum generierte. Nun sind wir in den vergangenen zwei Jahren um 50 Prozent gewachsen. Unser Ziel für 2019 ist ein Jahresumsatz von rund 200 Millionen Euro. Als ich bei Balmain angefangen habe, waren es 130 Millionen Euro. Heute erzielen wir 80 Prozent der Geschäftstätigkeit im Großhandel, der Rest entfällt auf den Einzelhandel. Mittelfristig peilen wir ein Verhältnis von 60/40 Groß-/Einzelhandel an. Ich will aber nicht, dass der Einzelhandel zu stark wächst, denn einerseits ist der Markt im Wandel begriffen und andererseits tätigen Kunden ihre Einkäufe über neue Kanäle. Wir sind überzeugt, dass der Großhandel weiterhin viel Gewicht haben wird, ganz besonders die großen Online-Händler. Damit meine ich Net-a-PorMytheresa">ter, Mytheresa, LuisaViaRoma und Farfetch. Das sind die neuen Kanäle. Stellen Sie sich vor, unser größter Kunde weltweit ist Net-a-Porter.

FNW: Signor Sassi (der CEO von Valentino) erklärte mir einmal, dass Valentino Investitionen in Höhe von fast EUR 100 Millionen pro Jahr tätigte. Wie sieht es bei Balmain aus?

Es geht nicht um den genauen Betrag. Rein theoretisch sind unsere Ressourcen angesichts unseres Investors unbegrenzt. Doch unser Fokus gilt der Fertigstellung und der Feinabstimmung des Einzelhandelsformats. In meinem ganzen Leben habe ich fast 500 Stores in der ganzen Welt eröffnet. Die Herausforderung ist also nicht, die richtige Location zu finden, sondern, den Store zum Erfolg zu führen. Und hierfür braucht es eine bestimmte Einkaufskultur, ein Shoppingerlebnis, eine Kundenerfahrung. Darum geht es, und nicht, ob wir im Jahr 50 oder 100 Millionen Dollar ausgeben.

Balmain - Frühjahr/Sommer 2019 - Haute Couture - Paris - © PixelFormula


FNW: Wie viele Stores hat Balmain?

Wir verfügen über 25 Stores und arbeiten mit 350 Wholesalekunden zusammen. Im Duty-Free-Bereich sind wir noch nicht vertreten, da das Accessoires-Geschäft noch nicht eingerichtet ist.
 
FNW: Olivier ist ein Genie der sozialen Medien und hat mit 5,3 Millionen Instagram-Follower eine größere Fanbasis als alle anderen lebenden französischen Designer. Wie kann diese Followerschaft in die Geschäftstätigkeit eingebracht werden?

Nun, wir haben und Olivier hat ein Publikum. Nun versuchen wir, dieses Publikum zu monetarisieren, indem wir an demokratischeren Preispunkten arbeiten, neue Linien entwickeln, so beispielsweise Turnschuhe, Schuhe und Taschen. Wir sind ein digitales Unternehmen und sprechen unsere Kunden auch digital an.

Wir haben auch eine neue Geschäftseinheit entwickelt, die sich nur mit Sneakers befasst, mit einem neuen Geschäftsführer, einem neuen Team und einem eigenen Marketingbudget. Wir entwerfen die Designs intern und produzieren sie dann in der Nähe von Hongkong.

FNW: Wo sehen Sie Balmain in fünf Jahren?

In den kommenden drei Jahren möchte ich die 500-Millionen-Dollar-Umsatzgrenze knacken. Das ist unser Ziel. Sagen wir mal für das Jahr 2022.

FNW: Wieso haben sie im vergangenen Monat Couture aufgenommen?

Es war eine einmalige Kollektion zur Feier der Eröffnung unseres Flagship-Stores. Das war nicht Teil unserer Strategie, wir haben andere Prioritäten. Für unsere Celebs machen wir auch Demi-Couture.
 

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