Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
22.09.2022
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Milan Fashion Week: Eröffnungstag mit Fendi, Cavalli und Del Core

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
22.09.2022

Am Mittwoch startete die Mailänder Modewoche in ihren ersten vollen Schauentag mit starken Beiträgen von Fendi, Del Core und Cavalli. Die Designer spielten mit Bodycon-Looks und mutiger, moderner Grandezza.

Fendi: Zurück zur Jahrhundertwende



Eines muss man Kim Jones lassen: In wenigen kurzen Saisons ist es ihm gelungen, Fendi einen sehr klaren, modernistischen Stil und seinen selbstsicheren Sinn für Farbkoordination zu verleihen.


Fendi - Frühjahr/Sommer2023 - Womenswear - Milan - © PixelFormula


Darüber hinaus geht er sehr achtsam mit der DNA von Fendi um und spielt mit der Vergangenheit, während er die Marke weiterentwickelt. In dieser Saison verwies er gekonnt auf die eigenen Archive und band insbesondere Kleider ein, die Delfina Delettrez Fendi trug.

"Gestartet haben wir im Grunde mit dem Durchsehen aller Kollektionen von 1996 bis 2004. Das, was Delfina viel getragen hat. Silvias alte Kleider, aus ihrer Garderobe. Und sie sehen einfach so gut aus, so frisch und modern, das liebe ich an ihnen", sagte Jones im prall gefüllten Backstage-Bereich.

Auch die sensationelle Schnitte von Kim Jones leisteten einen wichtigen Beitrag zum Erfolg. Scharf geschnittene graue Anzüge mit hohem Revers und aus feiner Wolle gefertigt. Dekonstruierte Wickelmäntel mit Satin-Bändern und eine Reihe von Satinmänteln, die im Rücken mit Obi-Logo-Gürteln ausgestattet wurden.

Für die Abendgarderobe war die Stimmung romantisch, mit Krepp-Etuikleidern mit diagonalen Logo-Streifen und aufgesticktem Stoff-Efeu.

Die Show fand im Fendi-Showspace an der Via Solari in Mailand statt. Das Set bestand aus einer Reihe konstruktivistischer Gerüste in Limettengrün, Rosa und Petrolblau. Letztere Farbschattierung wurde in verschiedenen Looks aufgegriffen: wadenlange Seidenröcke mit halbtransparenten Logo-Tops, Wedge-Sandalen mit Nerzbesatz, Miniröcke mit Cargotaschen und Kaschmirpullover.

Ebenfalls interessant war die Leichtigkeit, mit der Jones Verweise auf seinen Vorgänger Karl Lagerfeld einbaute, obwohl er Fendi einen kommerzielleren Weg einschlagen lässt. Die Modelauswahl war die Beste der aktuellen internationalen Laufstegsaison. Und alle defilierten sie mit zerzausten Haaren und malvenfarbenem Lippenstift.

Im Verlauf der Show wurde die Farbpalette immer wilder.

"Die Farbpalette von Fendi ist normalerweise ziemlich natürlich und das setze ich mit der Fendi-Familie in Verbindung. Deshalb wollte ich helle Farben hinzufügen und alles aufmischen. Somit gibt es in jedem Look drei Farbtöne, die miteinander harmonisieren", erklärte Jones.

In gewisser Weise war dies eine Fortsetzung dessen, was Kim im Februar mit der Ready-to-Wear-Kollektion für den Herbst/Winter sowie bei der Couture-Show im Juni versucht hatte. Doch diese Kollektion war mit viel mehr Spannung geladen.

Jones ist auch ein Meister wenn es darum geht, ganz viel Produkt in einen Look zu stecken, ohne ihn darunter zu ersticken. Er sandte mindestens ein Dutzend Models mit zwei Handtaschen über den Laufsteg, von gewaltigen Totebags über Mikro-Alligatorentaschen bis hin zu teuren Clutches mit metallenen Logos. Doch wurde dies schlicht als cleveres Styling aufgefasst.

Insbesondere fiel die knallige Farbpalette ins Auge: limettengrüne Wedge-Stiefel, Taschenketten, dicken Nerz-Clutches und geschorene Nerz-Etuikleider.

Cavalli: Großkatzen in Malibu



Fausto Puglisi produzierte eine Modefusion mit einer gewagten Mischung aus grandiosem Hollywood-Glamour, königlichem Schwung, rassigen Bodycon-Looks und den für Cavalli typischen Großkatzenprints.



Roberto Cavalli Frühjahr-/Sommerkollektion 2023 in Mailand - Roberto Cavalli


Wo die Rechnung aufging, ergaben sich neuartige und bemerkenswerte Kombinationen, wie eine Begegnung des großartigen Filmdiven-Designers Adrian mit dem Geist von Roberto Cavalli. Doch war dies eine verträumte Version von Adrian, der aussah, als hätte er etwas sehr Starkes geraucht – und dies mit ein paar Gläsern sündhaft teurem Clairet heruntergespült – bevor er sich an die Entwürfe machte.

Besonders die teuflisch gut drapierten fächerförmigen Cocktail-Kleider, rassigere Versionen der 30er-Jahre-Eleganz in Los Angeles. Oder die schwarz-weißen Moiré-Mäntel mit Leopardenfellfutter. Kombiniert mit Ballerinas mit Tigermuster. Ein Aufeinandertreffen von Sizilien und Santa Monica, mit einem Schuss Charles James.

Fausto gestaltete auch einige eher riskante Mega-Plissee-Röcke und kombinierte diese mit Hotpants und einem Leder-BH. So bleibt die Cavalli-Frau immer eine Rockerin im Herzen – mit dem Mut und der Chuzpe, in einem Gepardenprint-Minirock mit Lackleder-BH, sowie Hammelkeulen-Seidenärmel und naturweißen Seeräuber-Stiefeln aufzutauchen.

Letztlich ist Puglisis Kundin mehr Rockstar als Tony-Award-Gewinnerin und stolz, in stark plissierten Leoparden-Minis und Leder-Bustier über die Bühne zu streifen.

In seinem Begleitheft erwähnte Puglisi den Einfluss Hitchcocks und seines aufwühlenden Cine Noir, obwohl sich die Menschen im Backstage-Bereich vielmehr mit den kurz bevorstehenden Parlamentswahlen in Italien zu befassen schienen. Als Favoritin gilt die rechtsradikale Demagogin Giorgia Meloni, die sich für die Zwangsrückführung von Immigranten und ein Adoptionsverbot für schwule Eltern ausgesprochen hat – womit sie in der Modebranche kaum auf Zuspruch stoßen wird. Und wenn man genauer darüber nachdenkt – in vielen anderen Gemeinschaften wohl auch nicht.

"Ich bin sehr besorgt wegen dieser Wahlen. Es steht viel auf dem Spiel. Es geht um Gewalt, um Hässlichkeit. Dadurch dachte ich an Hitchcocks Marnie und das erinnerte mich an meine ersten Jahre in New York. Damals traf ich Joyce Ma und sie erzählte mir von Tony Duquette, der zu meiner ersten künstlerischen Obsession wurde", erklärte Fausto nach der Show..

Der für seinen Hollywood-Renaissance-Stil berühmte Dekorateur Duquette gab in seinem einzigartigen Haus in LA unter anderem Pflanzen, Sets und Gegendständen ein zweites Leben.

Ganz wie Puglisi und sein Konzept-Recycling, doch mit mehr Moiré- und Seidenstoffen, was diesem Modemix eine gewisse Pracht verleiht.

Del Core: Zwischen Couture und Bodycon


 
Eine eklektische, doch letztlich sehr überzeugende Kollektion von Del Core. Keine andere Kollektion der Mailänder Damensaison liegt so nahe an der Haute Couture wie diese.


Del Core Frühjahr-/Sommerkollektion 2023 in Mailand - Del Core


Eine kontrastreiche Kollektion, die mit messerscharf geschnittenen blumigen Jacquard-Anzügen begann und mit einer Reihe atemberaubender Abendkleider aus rotem Häkelstoff, hauchdünnem Kreppstoff und goldenen Zitronenpailletten sowie weißen Stiftperlen endete.

"Ich hatte diese Idee, wie ich mich ins Meer gleiten ließ, und das gefiel mir wirklich. Also etwas Fließenderes, Leichteres, die Erkundung einer anderen Frau", erklärte der Designer Daniel Del Core. Weiter bemerkte er, der Paillettenlook sei eine Anspielung an Korallen.

Dazwischen gab es einige sehr mutige Bodycon-Looks, von punkig-eleganten Cutout-Bodys über Nadelstreifen-Hosenanzüge bis hin zu einer Reihe fabelhafter ,locker gestrickten Schlaghosen.

"Ich mag Helmut Newton sehr, das war mein Ausgangspunkt. Einfachheit für die Kollektion mit Schärfe, doch mit Tierfarben", strahlte Del Core.

 

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