Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
25.09.2022
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Milan Fashion Week am Samstag: Kim X Dolce & Gabbana, Ferragamo und Bottega Veneta

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
25.09.2022

Am Samstag hüllte sich die Mailänder Modewoche in einen Hauch Hollywood, mit dem Kardashian-Clan bei der Dolce & Gabbana-Show, Ferragamos glamourösem Leinwand-Debüt und einem Plädoyer für die Vielfalt bei Bottega Veneta.


Dolce & Gabbana - Frühjahr/Sommer2023 - Womenswear - Milan - © PixelFormula


Die gemeinsame Kollektion Kim X Dolce & Gabbana brachte die Fans in Ekstase. Tausende Menschen versammelten sich vor dem Veranstaltungsort und kreischten Khloé Kardashian und Kris Jenner entgegen, die mit Kim Kardashians Kindern Chicago, Psalm, North und Saint eintrafen. Weiter angeheizt wurden die Fans durch die Kulisse mit Trockeneismaschine, Kamerakran mit Vintage-Filmkameras und einem gespielten egomanen Filmregisseur, der Journalisten und Influencer herumbeorderte, als wären sie Statisten in einem Film.

Im Innern dann war Kim auf Großleinwand zu sehen. Im Marilyn-Monroe-Stil ganz in Schwarz-Weiß gefilmt, isst sie eine Schüssel Spaghetti Pomodoro und wischt dabei ihre roten Lippen zwischendurch mit einer Tischdecke aus Leinen ab. Ihre Frisur hätte von einer Filmdiva der 50er-Jahre stammen können, dazu trug Kim ein paillettenbesetztes Metallic-Cocktailkleid und schwarze Handschuhe. Bis sie ihren Teller leergegessen hatte, trat bereits das letzte Model in Erscheinung.

Mit Kims Mutter, Schwester und Töchtern in der ersten Reihe war der Laufsteg von konzentrierter Hollywood-Glamour gesäumt. Auf dem Catwalk viel Unterwäsche, als Oberbekleidung getragen: Schwarze Spitzenbodys, mit Jadeperlen besetzte Trikots, Bustiers mit silbernen Stiftperlen, schwarze Satin-BHs, unzählige Bloomer. Bodycon-Mode durch und durch.

Dann startete die Show so richtig durch. Während Kim ihren Teller beendete, erschienen verführerische metallic-goldene Cocktailkleider, transparente Gaze-Mantelkleider, zusammengezurrt mit einem S&M Lonsdale-Gürtel und ein steifes Cocktailkleid im Metropolis-Stil. An dieser Stelle leckte sich Kim zufrieden die Lippen.

Kaum eine Andeutung von Dolce & Gabbanas geliebten Sizilien, aber haufenweise Santa-Monica-Sexappeal. Bis hin zu Kims Solo-Verneigung im glitzernden anthrazitfarbenen Swarovski-Etuikleid, wobei sie ihre Hände über ihre legendären Hüften gleiten ließ. Dann traten Domenico und Stefano auf den Laufsteg, um sich an Kims Seite zu verneigen, während sie ihrer Familie Luftküsse zuhauchte.

“Tief in mir drinnen fühle ich mich wie eine sehr sinnliche italienische Gangsterbraut", hatte Kim am Morgen an einer Pressekonferenz erklärt, ganz in Sopranos-Manier.

Ferragamo: Ein Stern ist aufgegangen



Am Samstagmorgen feierte ganz Mailand die Geburt eines neuen Stars. Sein Name ist Maximilian Davis und er gab sein kreatives Debüt bei Salvatore Ferragamo. Eine hochvirtuose Ode an den Hollywood-Glamour, die die Marke schnurstracks wieder ins Zentrum des Modekosmos‘ katapultierte.



Ferragamo Frühjahr-/Sommerkollektion 2023 in Mailand - Ferragamo


“Ich wollte in die außerordentliche Geschichte des Hauses eintauchen und daran erinnern, dass Signor Ferragamo seine Karriere in Hollywood begann und die größten Stars einkleidete, darunter auch Marilyn Monroe", erklärte der Designer nach der Show mit ruhiger Stimme.

In dieser Saison wurde der Vorname des Gründers, Salvatore, aus dem Markennamen entfernt. Auch Davis ließ viel Unnötiges fallen. Einer seiner verführerischsten Looks war ein sündhaft roter, männlich anmutender Wickelanzug ohne Revers, mit einer versteckten Knopfleiste, der perfekt fiel.

Die Show wurde im Innenhof eines neoklassischen ehemaligen Priesterseminars am Corso Venezia organisiert, das zum größten Luxushotel der Ferragamo-Familienkette werden soll. Das Kopfsteinpflaster und die Wände wurden mit dem blutroten Ferragamo-Logo geziert.

“Es fühlte sich richtig an, die Show hier zu organisieren, um beide Neuanfänge hervorzuheben”, erklärte Davis.

Rot führte durch die Kollektion, angefangen bei einem tiefroten Overall mit passenden Wasserflaschen, Absätzen und einer riesigen Clutch-Tasche. Eine klare Anspielung an die Schuhe, die Salvatore 1959 speziell für Marilyn angefertigt hatte. Doch im Zentrum standen Smokings, Anzugshosen und Westen – mit Retro-Einschlag geschnitten, aber doch sehr markant. Auf einem durchscheinenden Top war ein Diagramm zu sehen mit Luzifer oben und der Hölle zu seiner Rechten.

Bei den Farben wechselte der Designer von Unifarben zu Rachel Harrisons Sunset Series auf Seidenbodys, Etuikleidern und Ledertaschen. Ebenfalls beindruckend wirkten bronzefarbene Jeans und Hemden im Hologramm-Stil. Darüber hinaus setzte Davis die hochwertige Lederverarbeitung gekonnt in aufeinander abgestimmten Leggings, Polohemden, Wasserflaschen und Jacken in sandfarbenem Wildleder ein. Und zeigte einen großartigen Turnschuh mit rundem Absatz, der mit ziemlicher Sicherheit zum neuen It-Schuh wird.

Davis’ Auffassung des Filmstars ist wohlbemerkt sehr breit gegriffen. Für Herren umfasste sie Lederjacken mit passenden Minishorts und Militärstiefel mit weißen Nylon-Parkas und Hosen, zu denen ein Geigerzähler passen würde.

Etwas exzentrisch, doch peppte dies sein Debüt weiter auf. Der Einstieg ist dem Nachwuchsdesigner auf Starniveau gelungen.

Bottega Veneta: Perverse Banalität



Vielfalt und Energie: was daraus entstand, bildete die Quelle für die jüngste Kollektion von Bottega Veneta, die zugleich die zweite Kollektion unter der Führung von Kreativdirektor Matthieu Blazy war.


Bottega Veneta


Gespräche mit Freunden und Mitarbeitenden über die Vielfalt führten zu einem Austausch mit dem Künstler Gaetano Pesce. Dieser entwarf in einer stillgelegten Fabrik im Süden Mailands ein ganz außergewöhnliches Set, wie unter Drogeneinfluss, mit geschmolzenen Kunstharzstühlen und Böden.

Am Eingang ein handgeformter Schriftzug: "Dies ist eine Hommage an die Vielfalt. Vielfalt ist, was die Menschen ausmacht und sie einzigartig macht".

Während Italien seine nächste Regierung wählt, kommt man nicht umhin, die Bestürzung der Modegemeinschaft über die sich abzeichnende neue Richtung des Landes zum Ausdruck zu bringen. Als Favoritin geht Giorgia Meloni ins Rennen, eine immigrationsfeindliche rechtsextreme Politikerin, die sich gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Menschen ausgesprochen hat. Erstmals seit Mussolini könnte Italien somit von einer extrem rechten Regierung geführt werden.

Im Gegensatz hierzu zeigte die Bottega Veneta-Show eine höchst vielfältige Modelauswahl, von Kindern bis hin zu langjährigen Stars wie Kate Moss, gekleidet in ein Plaid-Hemd und Lederjeans, die aussahen wie Denim – ein zentrales Element aus Blazys erster Show.

Offensichtlich darauf erpicht, sein Können unter Beweis zu stellen, schnitt er eine Reihe wundervoller männlich anmutender Mäntel, deren Taille er radikal tiefer ansetzte und deren Taschen er versetzte, um eine Bewegung anzudeuten. Weiter zeigte er ein Femme-Fatale-Powersuit aus Leder. Die Models defilierten so schnell, dass Schals, die verschiedenen Kleidern angeheftet wurden, hinter ihnen herflatterten.

Blazy spielte auch mit Bottega Venetas Intreccio, mit einigen riesigen Beuteltaschen für Weltenbummler, über die Schultern getragenen Clutches, profilierten Turnschuhen und brillanten Stiefeln mit angeschrägten Keilsohlen.

In der ersten Reihe saßen regionale Künstler und das filmische Mutter- und Sohn-Paar Kirstin Dunst und Kodi Smit-McPhee aus dem oskargekrönten Streifen The Power of the Dog.

“Die Idee war, dass die Welt ein Kleiner Raum ist. So fügten wir mehr und mehr Personen hinzu, um die Vielfalt unserer Welt zu widerspiegeln. Was kann man bei Bottega tun, was man andernorts nicht tun kann? Nun, Leder, deshalb nehmen wir die Kleider, die wir tragen, ins Studio und machen Versionen aus feinem Leder. Das ist alles sehr technisch, sie haben keine Nähte. Das nennen wir perverse Banalität", erklärte Blazy.

Die auffälligste Entwicklung waren die zackigen grafischen Karo- und Printkleider und -Mäntel, in Anspielung an Giacomo Ballas bunten Zeichnungen von Herrenanzügen.

Wie in seiner ersten Kollektion, als Blazy auf den italienischen Vorkriegskünstler Umberto Boccioni zurückgriff, spielte er in dieser zweiten Auflage mit den futuristischen Werken Ballas aus den 1930er-Jahren. Ironisch ist sicherlich, dass beide ihre bekanntesten Werke im faschistischen Italien produzierten.

"Ich denke, Futuristen waren die Geburt der Moderne. Sie waren Impulsgeber. Und heute haben wir die Technologie, um ihre Ideen umzusetzen und sie zum Äußersten zu treiben. Das ist nicht ein Blick zurück, sondern nach vorne", erklärte er abschließend.

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