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Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
02.01.2023
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Netflix, Prime, Disney+ : Von der Streaming-Plattform zum Marketplace?

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
02.01.2023

Anfang November kündete Disney+ an, über die Streaming-Plattform Serien- und Film-Fanartikel anbieten zu wollen. Diesen Weg will auch Netflix einschlagen. Das Unternehmen führte so ein werbefinanziertes Abo ein und bietet in Zusammenarbeit mit Nike neu ein Fitnessprogramm an. Die Grundvoraussetzungen für Prime Video sind durch die Verbindung mit dem Amazon-Marketplace zwar unterschiedlich, doch ist die Tendenz dennoch bei allen Streaming-Plattformen zu erkennen: Sie suchen nach einem Weg, um den Marken Werbung, Produktplatzierungen und schlussendlich eine Möglichkeit für den Direktverkauf ihrer Produkte über ihre Plattformen anzubieten.


Shutterstock


"Wenn wir einen Golden Globe gewinnen, hilft uns das, Schuhe zu verkaufen, und das geschieht auf sehr direkte Weise", erklärte Jeff Bezos 2016, als der Gründer nach der Strategie für "sein Netflix", Prime Video, gefragt wurde. Sechs Jahre später hat sich der Markt für Angebote "à la Netflix" mit dem Erscheinen von Apple+, HBO Max oder Hulu deutlich verdichtet. Doch nachdem mit Disney+ ein dritter gewichtiger Akteur hinzugekommen ist, dominiert nun die Frage nach der Rentabilität dieser Plattformen die marktwirtschaftlichen Überlegungen und Ambitionen dieser Anbieter.

Netflix entschloss sich 2022, 17 defizitäre Serien einzustellen, für die verbleibenden Angebote ist eine generelle Verkürzung festzustellen. Nach der Erhöhung der Abopreise und der Einführung eines werbefinanzierten Low-Cost-Abos (für 8,99 Euro) soll das Unternehmen im zweiten Quartal 2022 fast eine Million Abonnenten verloren haben. Auch Disney+ schreibt rote Zahlen und setzt auf eine Tariferhöhung. Ab 2024 will die Plattform wieder Gewinne erwirtschaften.

Doch wie genau soll die Trendwende gelingen? Die Antwort dazu lieferte Disney+ im vergangenen Sommer, ein Jahr nach dem Start des Netflix-Verkaufsportals: Onlinehandel. Wie bei Netflix soll das Verkaufsportal zunächst auf lizenzierte Fanartikel des Hauses beschränkt sein (Disney, Pixar, Marvel, Star Wars, 21st Century Fox, …). Es ist auch von einem Premium-Abonnement die Rede, das den Zugang zu einer Reihe exklusiver Dienstleistungen und Vorteilen eröffnet, genau wie ein Prime-Konto bei Amazon den Zugang zu Prime Video ermöglicht. US-Nutzer können sich bereits mit ihrem Disney+-Account im Onlineshop von Disney anmelden. Doch soll dies nur der erste Schritt sein.


Auf dem Verkaufsportal von Disney stehen Disney+-Produkte und Fanartikel Seite an Seite - shopdisney.com



Bald sollen Nutzer während des Streamings per QR-Code die Möglichkeit erhalten, Fan-Artikel der betreffenden Show online zu kaufen. Dies ist nur eine der aktuell in Betracht gezogenen Möglichkeiten, um Onlinehandel und Streaming zu verbinden. "Der privilegierte Zugang zu dieser Produktauswahl ist das jüngste Beispiel der zahlreichen Optionen, die wir testen, um die User-Erfahrung auf Disney+ zu verbessern", erklärte Disney+-Chefin Alisa Bowen Anfang November anlässlich eines Tests vor der Weihnachtszeit. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung für externe Werbetreibende in ruhigeren Zeiten.

Sofortkauf und Produktplatzierung



Die Möglichkeit, mit wenigen Klicks mitten in einer Sendung ein Produkt kaufen zu können, lässt in Marketingabteilungen schon länger die Herzen höher schlagen. Schon bei der Entstehung der Replay-Plattformen von TV-Sendern arbeiteten mehrere Anbieter an einer Möglichkeit, Werbetreibenden diese Verkaufsart zu bieten. Doch waren die Anzeigenkunden zu jener Zeit zurückhaltender, da sich die jungen Kundinnen und Kunden vermehrt für Online-Angebote interessierten.


Die verschiedenen Angebote des "Nike Training Club", der seit dem 30. Dezember auf Netflix erhältlich ist - Netflix



Und online begegneten die Videoplattformen schnell ihren ersten Konkurrenten: Social Media. Soziale Netzwerke arbeiten seit Jahren intensiv am sogenannten "Social Commerce", mit mehr oder weniger Erfolg. Youtube, Platzhirsch aller Online-Video-Plattformen, arbeitet schon lange mit den Algorithmen des Mutterhauses Google, um den Kunden Werbung für Fanprodukte aufzuzwingen.

Produktplatzierungen in den Sendungen sind für Plattformen wie Netflix eine interessante Einkommensquelle, die weiter an Bedeutung gewinnt. Für das Geschäftsjahr 2022 soll das Product Placement weltweit 27 Milliarden Dollar in die Kassen gespült haben, so PQ Media. Emily in Paris beispielsweise hat sich zu einem beliebten Vehikel für Luxus- und Premiummarken entwickelt. In der dritten Staffel der Netflix-Serie sind unter anderem Stücke von Barbara Bui, Giambattista Valli und Léonard Paris zu sehen.


Kleid von Giambattista Valli (Couture-Kollektion Herbst 2021) auf dem Poster zum Start der dritten Staffel von Emily in Paris - Netflix



Ein Geldhahn, der kombiniert mit einem Marketplace zudem die Möglichkeiten der jüngsten Virtualisierungstechnologien für Produktplatzierungen nutzt: Je nach Land oder Zuschauertyp können Hauptdarsteller beispielsweise unterschiedliche Marken tragen.

Das Modell muss sich bewähren



Doch befindet sich das Streaminggeschäft an einem Wendepunkt. Nach der Erstarkung der Konkurrenz ist heute Zeit für eine Rationalisierung. Die Kunden haben sich an die Abwesenheit von Werbeangeboten auf diesen Plattformen gewöhnt und taten sich mit den jüngsten Preiserhöhungen schwer. Unter Einbezug der Partnerplattformen Hulu und ESPN+ verfügte Disney+ Ende 2022 über 235,7 Millionen Abonnenten, während Netflix 223 Millionen Kunden hat. Prime Video verzeichnet über Amazon Prime über 200 Millionen Abonnenten.

Amazon stellt dabei einen Spezialfall dar, da Prime Video als Erweiterung des Marktplatzes gesehen werden kann. Doch auch hier gilt es für das Unternehmen, ein Gleichgewicht zu finden und Brücken zwischen Streaming und Einkauf zu schlagen. Doch Amazon verfügt offensichtlich über einen weiteren Vorteil: Ein Prime-Kunde gibt im Schnitt pro Jahr rund 1400 Dollar auf der Plattform aus, während die Abonnenten der Konkurrenten nur 600 Dollar ausgeben. Marken können durch die Zusammenarbeit mit Prime somit direkt die umsatzstärksten Käufer der Amazon-Galaxie anvisieren.


Der Netflix-Store bietet Fan-Produkte für Serien/Filme, Marken und Künstler - Netflix.shop



Disney+ und Netflix beobachten die Entwicklungen sorgfältig und konzentrieren sich zunächst auf Fanprodukte für Eigenproduktionen. Disney kann sich dabei auf die traditionellen Produktionswege für Fanartikel stützen. Die Lizenzen von Disney, Pixar, Marvel und Star Wars sind seit langem etabliert und umfassen Spielsachen für Kinder wie auch "Collectibles" für Erwachsene.

Zusammenarbeit mit Marken



Der Pure Player Netflix hat seinerseits einen wichtigen Schritt gemacht. In Zusammenarbeit mit Nike startet die Plattform mit einem Fitness-Programm in das neue Jahr. Das Logo des Sportausrüsters ist während der Trainingssessionen unübersehbar. Ein offenes Tor für eine neue Partnerschaftsart für die Streamingplattform, die bereits zuvor Collaborations mit renommierten Marken aufgleiste.

Die Zusammenarbeit von Nike, H&M und Levi’s mit der Erfolgsserie "Stranger Things" im Jahr 2019 wurde sehr medienwirksam beworben. Und 2021 arbeitete Olivier Rousteing für Balmain mit dem Netflix-Film "The Harder They Fall" zusammen. Weiter wurde uns berichtet, dass eine hochwertige französische Sportswear-Marke demnächst eine Zusammenarbeit mit den fünf angesagtesten Serien der Plattform ankündigen dürfte. Für Netflix mögen diese Collaborations eine ideale Rentabilität verheißen, für die Marken eröffnen sie über die Plattform den Zugang zu einem neuen Publikum.

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