Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
01.10.2022
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Paris Fashion Week: Loewe, Victoria Beckham, Yohji Yamamoto und Schiaparelli

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
01.10.2022

Ein Nordire mit einer fantastischen Show, ein britischer Star mit einem beeindruckenden Debüt, poetische Mode eines japanischen Veteranen und Hommagen an einen Amerikaner: Vier ausländische Designer sorgten in den vergangenen 36 Stunden für mehr internationales Flair, als die Pariser Modewoche normalerweise hat.

Loewe: Begehrte Wiederholung



Das Konzept für seine vorzügliche Kollektion für das Haus Loewe übermittelte Jonathan Anderson gleich mit seiner Einladung, auf der in der Mitte eine leuchtrote Flamingoblume prangte.



Loewe Frühjahr-/Sommerkollektion2023 in Paris - Loewe


Dieselbe Blume – diesmal aus Plexiglas – begrüßte die Gäste bei der Show in den Pferdeställen der Garde Républicaine. Eine Blüte, die so groß war, dass sie durch das riesige gläserne Dach des Gebäudes zu wachsen schien. Die 3D-Imitation der tropischen Blume wirkte bedrohlich und beruhigend zugleich. Das nannte Jonathan einen "Eyes Wide Shut"-Moment.

Flamingoblumen tauchten daraufhin in über 20 Looks auf. Auf einem von zwei Pumps unter dem glockenförmigen Eröffnungskleid von Taylor Russell. Oder als Brustharnisch für mehrere Mikro-Röcke, auf Schuhen oder gar von Seitentaschen hängend.

“Ich mag die Idee von etwas Natürlichem, das künstlich aussieht, aber echt ist. Die Idee der Ikonographie und Dinge, die dich an etwas anderes erinnern", erklärte Anderson nach der Show.

Doch die größte Neuerung war das Spiel mit den Proportionen durch die ganze Show hindurch – zusammenzurren, lockern, übertreiben.

Wie ein schlankes moosgrünes Kleid mit einem umgekehrt getragenen Herrenblazer. Das hätte nicht funktionieren sollen, tat es aber trotzdem. Und wie. Und andere beige oder eierschalenblaue Seidenkleider in verschiedene Spitzen am Ausschnitt mündeten und dadurch aussahen, als wären sie nach oben drapiert.

Anderson liebt ungeheuerliche Schuhe und in dieser Saison gestaltete er mehrere Modelle aus Hunderten leeren Ballons, die aussahen wie Gummi-Schrubber.

Im Verlauf der Show wiederholte er leicht veränderte Variationen seiner Ideen, in einem fast meditativen Vorgang und einem verspielten Umgang mit den Silhouetten.

Gelegentlich schlich sich eine kleine Störung ein, wie ein kleinkarierter Print, der aussah wie ein eingefrorener Bildschirm. Dazu einige wundervolle gewachste Regenmäntel, die wie kleine A-Line-Mäntel geschnitten wurden und eine Reihe Mikro-Lammfellbomberjacken, die zu den absoluten Must haves zählen.

Andersons Fähigkeit, Können, Kreativität und Kommerz in der Waage zu halten, ist immer wieder beeindruckend. Unter seiner Führung steigerte Loewe den Umsatz fast um das Vierfache, für 2022 erwartet das Unternehmen einen Umsatz von über einer Milliarde Euro.

Diese Kollektion fühlte sich vom ersten Look und den dazu ertönenden Klavierakkorden an wie ein absoluter künstlerischer Erfolg an.

“Ich hatte eine Vision von der Eröffnung der Show durch Taylor Russell. Sie ist eine sehr gute Freundin. Diese Präzision von jemandem, der die Zukunft der Schauspielerei, der Performance zu sein scheint. Ich mag diese Idee, wie macht man Enthaltsamkeit positiv? Und sie hat es getan und dabei den richtigen Ton getroffen", schloss Anderson, der Designer mit der blühendsten Energie der Branche.

Victoria Beckham: Grazien im Val-de-Grâce



Das begehrteste Eintrittsticket in Paris war am Freitag die Einladung zur Victoria-Beckham-Show. In einem Kloster im Val-de-Grâce gab die britische Designerin mit einer anmutigen Kollektion ihr Debüt in Paris.


Victoria Beckham - Frühjahr-/Sommerkollektion 2023 - Womenswear - Paris - © PixelFormula


Zusätzlich zu ihrer Familie – Ehemann David Beckham, der älteste Sohn und die Schwiegertochter Nicola Peltz – saßen zwei der angesagtesten Designer Frankreichs  in der ersten Reihe: Simon Porte Jacquemus und Nicolas Di Felice von Courreges.

Briten, die ihre Kollektionen nach Paris bringen, gehen immer ein Risiko ein. Französische und EU-Kritiker können gnadenlos sein. Doch diese Show entpuppte sich für Beckham als Erfolg, ihre Kollektion wurde aus den bislang feinsten Stoffen gefertigt und überzeugte mit modernstem Tailoring und tadellosen Drapierungen.

Nach mehreren schwierigen Jahren der Umstrukturierung ist das Haus bereit, zur schwarzen Farbe zurückzukehren. Mit dieser Kollektion wird die Rückkehr nun deutlich beschleunigt. 

“Es war seit langer Zeit ein Traum, in Paris zu defilieren, und dass wir tatsächlich hier sind, ist unglaublich. Und ich habe mir gesagt, ich eine unabhängige Marke und vor den Schauen werde ich immer nervös, doch ich werde jeden einzelnen Moment hier genießen!", strahlte Beckham vor der Show.

Beckham präsentierte ihre Kollektionen zehn Jahre lang in Manhattan, bevor sie vor vier Jahren nach London zurückkehrte. Generell organisiert sie kleine Schauen in relativ überschaubaren Räumlichkeiten, sowohl in den USA als auch in Großbritannien – von der öffentlichen Bibliothek an der Fifth Avenue bis hin zu einem fürstlichen Ballsaal in Whitehall.

Im Pariser Kloster zeigte sie vorzügliche Schneiderkunst mit einer sehr coolen Bikerjacke mit spitz zulaufendem Revers, und einen eleganten zartrosafarbenen Blazer mit geprägtem Revers. Sogar eine einfache halbdurchsichtiger Clubjacke aus elastischem Mesh-Gewebe hatte viel Schwung.

Beckham scheute mit ihren Schnitten keine Risiken, insbesondere mit einem männlich anmutenden schwarzen Leinenblazer, dessen offener Rücken nur mit Riemen zusammengehalten wurde. Doch zahlten sich die Ideen alle aus.

Im Zentrum des Geschehens stand ihr schlankes Kleid, das kunstvoll drapiert oder gerüscht und aus Leinen, Chiffon, oder Organza gefertigt wurde. Victoria toppte das Konzept mit einem gewagten Einschlag, mit Monogramm-Spitzenleggings und -Strümpfen.

Sie blieb sich selbst treu, ihre Silhouette erinnerte an ihre Anfänge, als sie kleine Präsentationen für knapp ein Dutzend Gäste in einem Haus an der Upper East Side in New York organisierte. In Paris verfeinerte sie ihre Ideen mit anspruchsvolleren Techniken, wie die Einführung von Quasten, die auch in einer Reihe neuer Taschen verwendet wurden.

Beckham, die in ihren ersten Schauen in New York eine obskure aber schlaue Modelauswahl traf, ließ sich für diese Show nicht lumpen und heuerte Models wie Gigi und Bella Hadid an, dazu kam die Eröffnung und der Abschluss mit Rianne van Rompaey.

Aus gut informierten Quellen wird geschätzt, dass das Unternehmen in diesem Jahr GBP 60 Millionen Umsatz erzielen wird, wobei die Hälfte davon auf das florierende Beauty-Geschäft entfällt.

Und auch dieses beeindruckende Debüt in Paris dürfte den Umsatz beflügeln. Die Kollektion zählt – nach fast 15 Jahren Runway-Shows – zu den drei besten überhaupt.

Schiaparelli: Prêt-à-Porter-Hommage



Le tout Paris gesellte sich am Donnerstagnachmittag an den Place Vendôme, um die Frühjahr-/Sommerkollektion 2023 von Schiaparelli zu entdecken.


Schiaparelli Frühjahr-/Sommerkollektion 2023 - Schiaparelli


Kylie Jenner, wie auch Chiara Ferragni kamen, um Daniel Roseberry und seiner jüngsten Show eine Ehre zu erweisen. Vor dem Hôtel d’Evreux, wo die Veranstaltung organisiert wurde, versammelten sich Hunderte von Fans und Fotografen im Regen.

Kühne grafische Ausschnitte waren am Eingang zu sehen, mit Dutzenden Handtaschen, die mit goldenen Metallohren, Augen, Mündern und Nasen bedeckt waren. Dieselben Körperteile erschienen auch auf hinreißend gut geschnittenen Seidenkleidern.

Drei Live-Models wanderten durch die üppig dekorierten Salons, eines in einem wundervoll geschnittenen Blazer mit neun goldenen und perlfarbenen Knöpfen. Zudem ließ Roseberry Elsas ikonisches Cello-Kleid wieder aufleben, in modernisierter Form mit einer goldenen Knopfleiste, sowie aus Jeans.

Für Rockgöttinnen und Afterpartys gab es ausgewaschene Denimjacken mit einer goldenen aztekischen Sonne im Rücken. Und für wirklich surreal Momente einen handbemalten goldenen Oberkörper zu einem schwarzen Trikot.

“Ich nenne dies Prêt-à-Couture", sagte CEO Diego della Valle bei der Präsentation.
 

Yohji Yamamoto: Poesie im Rathaus



Ein poetischer Moment und eine heilsame Lektion zum korrekten Drapieren von Yohji Yamamoto, der eine fast gänzlich in Schwarz und Weiß gehaltene Kollektion präsentierte.

Yohji Yamamoto


Eine brillant zusammengeworfene Mischung aus Historismus, Femme-Fatale-Fantasien und schiefen Miederwaren, alles gekonnt zusammengeschnürt durch Yamamotos Know-how.

Präsentiert wurde die Kollektion unter einem riesigen Deckenfresko, dessen von wütenden Göttern gerettete Heldinnen auf seltsame Weise auf dem Laufsteg aufgegriffen wurden. Nur dass viele von Yamamotos Models Leggings und fantastische neue Sneakers trugen.

“Ich wollte Kostüme aus dem 17. und 18. Jahrhundert mit der heutigen Streetwear vermischen, um eine neue Modernität entstehen zu lassen", erklärte Yamamoto, bevor er vom US-Rapper Tyga gelobt wurde. Der geschäftigste Fan der Pariser Modebranche tauchte in dieser Woche an zahlreichen Schauen auf, so auch an Rick Owens‘ Show.

Im Verlauf der Show ergänzte der japanische Designer seine Entwürfe um vorzügliche vergoldete architektonische Prints und japanische Schriftzeichen. Ein Zusammentreffen von Ost und West, das auch auf dem Soundtreck zum Ausdruck gebracht wurde. So beispielsweise durch Yohjis akkordlastige Gitarrenversion von Lou Reed "Take a Walk on the Wild Side".

Und genau so fühlte sich die Show auch an, mit dem jüngsten Ausdruck von Yamamotos poetischem Stil und einer Kollektion, die für wahre Aficionados ein eindeutiges Muss war.

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