Schiaparellis surrealistischer Chic

Von

Godfrey Deeny

Übersetzt von
Felicia Enderes

Veröffentlicht am
05.10.2021

Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, noch einmal versuchen. So geschehen bei Schiaparelli, wo der Designer Daniel Roseberry den goldenen Mittelweg zwischen ausgefeilt, pervers und kraftvoll gefunden hat.

Seit der italienische Luxusunternehmer Diego della Valle vor anderthalb Jahrzehnten die Kontrolle über die traditionsreiche Marke übernommen hat, hat das Haus mehrere Designer und CEOs durchlaufen. Jetzt, unter Roseberry, ist die Kollektion wieder zu einem absoluten Muss in Paris geworden.
 
In dieser Saison gab es keine Laufstegshow, sondern ein Video und eine Präsentation im vergoldeten Showroom und in der Lounge im dritten Stock am Place Vendome 21, mit Blick auf das Ritz Hotel.

"Die Leute können in vielen Häusern sehr gute Mode bekommen. Ich glaube, was sie bei Schiaparelli suchen, ist dieser Sinn für schrägen Luxus", erklärte Daniel Roseberry, als er den Gästen seine Frühjahr/Sommer-Kollektion 2022 des Hauses zeigte.
 
"Wenn ich einen Blazer mit Nippelknöpfen entwerfe, stehen alle darauf, und nicht auf den Blazer mit klassischen Knöpfen. So ist das nun mal", lachte der amerikanische Designer hinter einer schwarzen Maske.

Im ersten einer Reihe von Salons wartete auf die Gäste eine fantastische Auswahl an Accessoires – von diabolischen goldenen Fingerkappen über silberne Minaudieres mit bösen Augen aus Kristallaugenbrauen und Perlenwimpern bis hin zu Clutches mit goldenen Ohrspangen – alles in Gold, Silber und Perlen. Seine Anhänger in Form verschiedener Gesichtsteile waren definitiv etwas Besonderes.
 
Die verwegene Dunkelheit setzt sich in der Kleidung fort, wo gemütliche schwarze Wollanzüge oder ein Blazer aus Lackleder mit Nasen- und Ohrenspangen aufgepeppt wurden. Man konnte nicht umhin, die aufgesetzten schwarz-weißen Brüste in Zielscheibenoptik zu bemerken. Ein anderer schöner Blazer hatte ein Revers, das mit einem goldenen Schiaparelli-Maßband verziert war. Einige der 20 Models trugen sogar Elsa Schiaparellis Interpretation eines umgedrehten Dogenhutes.

Genau wie die Gründerin, die alle von Mae West und Zsa Zsa Gabor bis zu Wallis Simpson und Daisy Fellowes eingekleidet hat, hat Roseberry zeitgenössische Ikonen wie Lady Gaga, Michelle Obama und Beyoncé ausgestattet.
 
Man kann förmlich den Bürgerkrieg erahnen, der zwischen den prominenten Stylisten ausbrechen wird, wenn sie darum kämpfen, als Erste eine der zwei bemerkenswerten neuen silbernen Paillettenjacken mit goldenen Gesichtszügen zu ergattern – absolute Statements des surrealistischen Chics.
 
Roseberry ist ein bekanntes Multitalent und hat sogar das 4.20-Lookbook-Video gedreht. Daniel, der mit einer wahrhaft blühenden Fantasie gesegnet ist, bevorzugt jedoch ein ruhigeres Leben als Elsa. Die von so vielen Designern geschätzten Clubs von Ibiza und Mykonos sind nichts für ihn. Diesen Sommer verbrachte er eine Woche allein auf einer abgelegenen schwedischen Insel.
 
"In einer Blockhütte ohne fließendes Wasser zu sein, war tatsächlich ziemlich erfrischend für den Geist", sinnierte er.

Roseberry hat auch eine Prise Humor in seine Entwürfe einfließen lassen, wie zum Beispiel in den wunderbaren weißen Morgenmantel, der mit schwarzen Augen bestickt und mit Quasten und einem Schiaparelli-Hotel-Logo verziert ist.
 
"Das war inspiriert von einem Foto von Marlene Dietrich, einer großen Freundin von Schiaparelli, in einem Morgenmantel", erklärt der Designer, der bei der Gelegenheit darauf hinwies, dass es keine Pläne gibt, ein Schiaparelli Hotel zu bauen.
 
Allerdings wird die Marke ihr erstes ausländisches Geschäft eröffnen, einen neuen Store im prestigeträchtigsten Kaufhaus der Welt, Bergdorf Goodman in der Fifth Avenue.<<<10>>>
Die Eröffnung findet am 12. Oktober statt. Damit erreicht della Valles langes und geduldiges Warten auf die Rückkehr Schiaparellis an die Spitze eine neue Etappe.