Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
13.05.2022
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Wie die Luxus- und Modebranche mit der explosionsartigen Zunahme digitaler Inhalte umgeht

Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
13.05.2022

Die Pandemie und der digitale Wandel haben die Art und Weise, wie die Mode- und Luxusbranche kommuniziert und arbeitet, radikal verändert. Angesichts von Verbrauchern, die ständig auf ihre Smartphones starren, und den Akteuren einer zunehmend digitalisierten Industrie gehen Modehäuser dazu über, immer mehr digitale Inhalte zu produzieren. Es handelt sich um eine echte Revolution, die sich im Herzen des Systems abspielt. Dieses Phänomen zwingt Unternehmer dazu, ihre Organisation und Herangehensweise zu überdenken, wie die Redner auf dem e-P Summit, dem Forum für Mode und Technologie, das von Pitti Immagine am 4. und 5. Mai in Florenz veranstaltet wurde, erläuterten.

Max Mara gewährt einen Blick hinter die Kulissen eines Shootings für die Sommerkampagne 2022 - maxmara.com

 
Der rasante Anstieg des Online-Verkaufs hat dazu geführt, dass von jedem Produkt eine ganze Reihe von Fotos angefertigt werden, die nicht nur für den Online-Shop der Marke bestimmt sind, sondern auch für die großen Plattformen, die häufig personalisierte Fotos verlangen, wodurch sich die Anzahl und die Art der Aufnahmen erhöht. Die Digitalisierung der Showrooms hat dazu geführt, dass virtuelle Kataloge erstellt werden, bei denen die Qualität der Bilder einwandfrei sein muss. Die Bilder müssen Kleidung und Accessoires mit großer Genauigkeit darstellen, da sie sich an Käufer richten, die es bis vor kurzem noch gewohnt waren, ihre Bestellungen vor Ort zu tätigen und die Produkte aus der Nähe zu betrachten und anzufassen.
 
Hinzu kommt die Produktion von Inhalten für soziale Netzwerke, von der kleinsten Markteinführung über saisonale Kampagnen bis hin zu Kapselkollektionen und mehr. Diese Bilder richten sich also an verschiedene Medien mit unterschiedlichen Inhalten. Von Packshot-Fotos, die das Produkt so zeigen, wie es ist, über Still-Life-Fotos, die das Produkt in einer bestimmten Situation zeigen, bis hin zu Fotos, auf denen das Kleidungsstück von einem Model getragen wird, und nicht zu vergessen Videos – jeder Artikel, der in Bildern wiedergegeben werden soll, erfordert mindestens fünf verschiedene Elemente. Wenn man diese Zahl mit den Tausenden von Referenzen für eine Kollektion und der Anzahl der jährlichen Kollektionen multipliziert, kommt man nach Angaben der Branche schnell auf fast 50.000 Bilder in einem Jahr, und das nur für den E-Commerce. Die Schätzung bezieht sich dabei auf ein mittelgroßes Unternehmen.

Marco Milioli, Marketingdirektor der Hyphen Group, die digitale Dienstleistungen und Lösungen für Luxusmarken anbietet, darunter auch die Verwaltung der Produktion von digitalen Inhalten, erklärt: "Das ist zu einem riesigen Budgetposten geworden. Das Engagement der Marken an dieser Front ist beträchtlich. Um diesem neuen Bedarf gerecht zu werden, müssten die Unternehmen diese Aktivität genau so verwalten, wie sie es mit ihren Produkten tun. Neben ihrer normalen Produktionskette müssen sie eine Produktionskette für Inhalte aufbauen, die die digitale Version ihrer Produkte darstellen. Das ist ein Wandel der Perspektive und der Unternehmenskultur".
 
Es geht darum, mehrere verschiedene Teams zu koordinieren, die bisher gewohnt waren, unabhängig voneinander zu arbeiten: Studio, Vertrieb, Marketing, Merchandising, Kommunikation, Werbung, E-Commerce usw. Die meisten von ihnen sind nicht in der Lage, ihre Arbeit zu koordinieren. "Früher war es einfach, da gab es nur einen einzigen Inhalt für alle Produkte, das war der Laden. Danach wurde es kompliziert", fasst Antonio Farini, IT-Leiter, CEO des Kundenbeziehungsmanagements (CRM) und der Abteilung Digital & E-Commerce der Max Mara Group, zusammen. "In der Regel delegiert man, weil es weniger kostet, aber man verliert an Konsistenz und Qualität. Eine starke Diskrepanz zwischen dem Image, das in den Geschäften vermittelt wird, und dem im Internet kann jahrelange Arbeit zerstören. Eine andere Lösung ist die des Insourcing. Wenn sich jede Abteilung um die Inhalte kümmert, bleibt die Qualität zwar erhalten, aber die Kosten explodieren und die Konsistenz ist nicht immer gewährleistet", warnt er.
 
"Tatsächlich entwickeln die Designer in unserem Modekonzern alle sechs Monate neue Produkte, die dann industrialisiert werden. Das haben wir schon immer gemacht, aber wir haben nicht verstanden, dass für digitale Inhalte derselbe Prozess der Kreativität und dann der Industrialisierung gilt", fährt der Manager fort, der vor zehn Jahren mit der Transformation begonnen hat, indem er die Produktion digitaler Inhalte, die zuvor von verschiedenen Abteilungen verwaltet wurden, weitgehend zentralisiert hat. Dadurch konnten die Arten von Inhalten und die Kosten für ihre Erstellung rationalisiert und die Prozesse beschleunigt werden. "Wenn man heute das Bild des Produkts nicht zum richtigen Zeitpunkt liefert, ist das zu einem entscheidenden Problem geworden. Sein Fehlen fällt sofort auf", bemerkt Antonio Farini.

Wie man im Metaversum kommuniziert - ph Lucia Sabatelli

 
"Wir brauchen einen transversalen Ansatz, weg von einem Modell, bei dem jeder Kanal seiner eigenen Logik folgt, hin zu einer globalen Koordination, die von Anfang an das Gesamtbild betrachtet. Dies erfordert Offenheit für den Austausch von Erkenntnissen, Budgets und Ideen und impliziert auch einen bedeutenden Wandel im Management", fügt Stefano Righetti, CEO von Hyphen, dem langjährigen Partner von Max Mara, hinzu. "Alle drei Monate wird eine neue Geschichte durch digitale Inhalte geschrieben, mit einer beeindruckenden Anzahl von Daten, die einen Return on Investment für diese Inhalte bieten, da wir ihre Leistung messen können".
 
Neben dem E-Commerce, dem Internet und den sozialen Netzwerken kommt nun eine weitere Dimension hinzu, "das Metaversum, das die Probleme sicherlich noch vergrößern wird", so Antonio Farini von der Max Mara Group, der jedoch auch neue Synergieeffekte sieht. "Wir entwickeln bereits Produkte in 3D. Dies könnte als Grundlage für neue Arten von Inhalten im Metaversum dienen, die zu einem kohärenteren Image beitragen". Bevor sie sich jedoch Hals über Kopf in diese neue Welt stürzen, sollten sich die Firmen gut überlegen, wie sie es anstellen, relevante und innovative Inhalte zu liefern, die gleichzeitig mit ihrem Image in Einklang stehen.
 
Der Wettlauf um die dritte Dimension hat mit dem Gaming begonnen und wird sich mit dem Metaversum noch verschärfen. "Die Welt des Gaming wird die der Unterhaltung und des Films zusammengenommen übertreffen. Sie hat Milliarden von Teilnehmern. Das ist sicherlich ein bevorzugtes Terrain für Marken", meint Tommaso Nervegna, Metaverse Strategy Lead bei Accenture. "Die Verbraucher wollen mit den Marken interagieren. Mit dem Metaversum können sie zu Protagonisten einer Geschichte werden, in der sie sich selbst sehen können, während sie die Produkte ihrer Lieblingsmarken tragen. Das ist so etwas wie die Renaissance der Erfahrung", erklärt er.

"Die Initiativen, die wir in letzter Zeit gesehen haben, haben den Eindruck erweckt, dass sie hinter den Erwartungen zurückbleiben. Das Publikum ist aus dem Kino an fantastische virtuelle Realitäten gewöhnt und findet diese Qualität noch nicht auf den verschiedenen Plattformen, die es heute gibt.", relativiert Nervegna. Sein Kollege Umberto Cigognini, Art Direction Manager bei der Beratungsfirma, erklärt: "Das Metaversum ist ein neues Werkzeug für Marken, mit einem Ökosystem von Möglichkeiten, sich selbst durch eine einnehmende Geschichte darzustellen. Man kann riesige Veranstaltungen ohne geografische oder zahlenmäßige Grenzen organisieren. Es ist ein neuer Kontaktpunkt".
 
"Es ist wichtig, dort zu sein, aber nicht nur, um präsent zu sein. Es ist von grundlegender Bedeutung, relevant und kohärent mit dem Image, den Werten und der Strategie der Marke zu bleiben und gleichzeitig innovativ zu sein und unglaubliche Erfahrungen zu bieten, die man in der realen Welt nicht hätte machen können", schloss er.
 

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