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25.07.2012
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Bruno Sälzer : "Escada Sport passt zu Berlin"

Veröffentlicht am
25.07.2012

Bruno Sälzer war der Vorzeigechef bei Hugo Boss und steht seit 2008 an der Spitze von Escada. Der Manager hat das Insolvenzverfahren des Münchener Hauses geleitet sowie auch die Übernahme durch Megha Mittal, der Schwiegertochter des indischen Stahlmagnats Lakshmi Mittal. In vier Jahren hat Escada zuerst an seinen Kollektionen gearbeitet und sollte somit in diesem Jahr an den Gewinnen anknüpfen. Der Umsatz wird voraussichtlich 320 Millionen Euro überschreiten. Die symbolische Marke von einer halben Milliarde Euro ist das Ziel, wie kürzlich in der deutschen Presse erklärt wurde. Bruno Sälzer zieht die Bilanz aus den vergangenen Saisons und Projekten von Escada.



Escada Sport in Berlin: Foto Pixel Formula. Bruno Sälzer peilt einen mittelfristigen Umsatz von 500 Millionen Euro an: Foto DR


FashionMag.com : Escada Sport hat zum zweiten Mal die Fashion Week in Berlin eröffnet. Ist dies ein Zeichen der Wiederauferstehung?
Bruno Sälzer : Berlin hat Einfluss auf Deutschland. Wir können uns natürlich nicht mit Mailand, Paris, London und New York vergleichen. Aber die Stadt hat ihre eigene Identität, sie vermischt die moderne, casual, urbane Mode … Diese Kombination ist einzigartig. Einmal durch die Schauen, aber auch durch die Bread & Butter, die Premium und andere Events… Berlin hat seine eigene Art und Weise, Mode zu inszenieren - wie ein unfertiges Kunstwerk, so als ob sich alles noch in der Entwicklung befände.

FM : Für Ecada Sport?
BS : Escada Sport passt zu Berlin. Es ist innovativ, sportlich und casual. Es ist mit seinen leuchtenden Farben lebendig. Sicherlich hängt uns in Deutschland noch ein wenig die Insolvenz nach. Sich aber in Berlin mit einer Show sowie auch auf der Premium zu präsentieren, zeigt, dass Escada wieder voll da ist.

FM : Überlegen Sie, eine Modenschau in einer anderen Stadt zu zeigen?
BS : Mailand und London sind modisch gesehen zu weit von unserer Hauptlinie entfernt. Paris dagegen ist das Mekka für DOB. New York wäre auch gut, weil Amerika unser größter Markt ist. Aber es ist noch zu früh.

FM : Sie haben angedeutet, dass die Umstrukturierungsphase abgeschlossen sei. Können Sie das näher erläutern?
BS : In dieser Phase ging es darum, der Marke eine neue Richtung zu geben, natürlich unter Berücksichtigung der Heritage. Diese ist wichtig, sie findet sich nicht nur in den Kollektionen, sondern auch in den Kunden und den Mitarbeitern wieder. Der Markenkern durfte sich nicht verändern: Escada steht für Glamour, Eleganz, Farbe, Qualität, perfekte Passform und Femininität. Man muss dies zeitgemäß umsetzen, im Sinne von moderner Eleganz und coolem Glamour. Diese Neuorientierung ist abgeschlossen. Wir haben 5-6 Saisons benötigt - Zeit, die auch unsere Kundinnen gebraucht haben, um zu verstehen, wohin wir gehen.

FM : Wie genau sind Sie vorgegangen?
BS : Wir haben Escada z.B. stärker für die Daywear geöffnet. Historisch gesehen orientierte sich Escada sehr an Kleidern, aber nicht alle Frauen haben jede Woche große Events im Terminkalender stehen. Somit ist die Kollektion jetzt stärker auf „buy now wear now“ ausgerichtet. Aber das Kleid bleibt das Herzstück, so wie es der Anzug für den Mann ist. Wir haben die Preise für die Kleider überarbeitet, sie beginnen jetzt bei 500-600 Euro. Insgesamt haben wir die Verkaufspreise durchschnittlich um 20% gesenkt.

FM : Haben Sie auch die Größe der Kollektion drastisch reduziert?
BS : Wenn ich die aktuelle Kollektion mit der von 2008 vergleiche, haben wir das Angebot um die Hälfte reduziert. Wenn die Kollektionen kleiner sind, müssen sie ein stärkeres Profil haben.

FM : Und die Lizenzen?
BS : Wir haben Parfum, Brillen, Homeware und seit kurzem auch Uhren und Schmuck. Ich glaube nicht, dass wir morgen Hotels dekorieren werden. Das Parfum ist am wichtigsten von allen, da es einen leichten Zugang zu unserem Markenuniversum bietet. Zu Einzelhandelspreisen liegt der Duftumsatz bei mehr als 200 Millionen Euro.

FM : Wie positioniert sich Escada im Markenumfeld?
BS : Was die großen Marken angeht, ist die Hauptkollektion oft im Umfeld von Armani, Max Mara, Dolce&Gabbana zu sehen…. Escada Sport ist eher vergleichbar mit Burberry, See by Chloé, Isabel Marant, ….

FM : Wie präsent sind Sie weltweit?
BS : Wir arbeiten in 80 Ländern. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind unser wichtigster Markt und machen 21% unseres Businesses aus. Dann kommen, quasi gleichauf, Deutschland, Russland, China, Japan und Spanien. China hat sicherlich Chancen, bis 2013/2014 zweitstärkster Markt zu werden.

FM : Ist es nicht zu beunruhigend, vom chinesischen Markt abhängig zu werden?
BS : Heutzutage haben wir 60 Geschäfte in 25 Städten in China. Die Hälfte davon sind eigene Geschäfte. Ich kann mir vorstellen, dass wir unsere Verkäufe in 4 Jahren verdoppeln werden. Ein Drittel des Wachstums auf dem weltweiten Luxusmarkt kommt aus China. Da muss man dabei sein. Es ist übrigens ein sehr modisches Land und überhaupt nicht langweilig. Die Chinesen sind sehr informiert, auch durch das Internet.


Das Geschäft in Shanghai. Foto DR


FM : A propos, der E-Commerce existiert bei Escada nicht.
BS : Das ist stark übertrieben. Einige unserer Wholesale Partner vertreiben durchaus Escada Produkte online. Der Launch unseres eigenen Online-Shops ist im Laufe des Jahres 2013 vorgesehen. Die Herausforderung, insbesondere bei der Bekleidung ist, das Produkt erlebbar zu machen. Bei Taschen und Schuhen ist das leichter.

FM : Sie haben in der Avenue Montaigne ein Geschäft mit dem neuen Konzept wiedereröffnet. Welchen Stellenwert hat der Retail, besonders in Bezug auf Investitionen?
BS : Unsere 200 eigenen Geschäfte machen etwa die Hälfte unseres Umsatzes aus. Zusammen mit den 140 Franchise-Geschäften erreicht der Umsatzanteil, den wir über Monomarkenflächen erzielen, 75%. Wir haben unsere eigenen Geschäfte mit dem Gold-Konzept für Escada und dem Silber-Konzept für Escada Sport renoviert. Im Jahr 2011 sind zwei Drittel der über 15 Millionen Euro Investitionen in die Renovierung unseres Vertriebsnetzes und seiner Vergrößerung geflossen. In diesem Jahr werden wir ungefähr den gleichen Betrag investieren.

FM : Werden Sie viele Geschäfte eröffnen?
BS : Das ist schwierig zu beziffern. Natürlich müssen wir unser Vertriebsnetz permanent an den Markt anpassen, was auch bedeutet, das eine oder andere Geschäft zu schließen. Manchmal reicht auch ein Umzug von einem Hotspot zum anderen, der gerade in ist. Manchmal muss man auch nichts ändern. In Frankreich bleibt die Avenue Montaigne die Avenue Montaigne.

FM : Sie haben das Event im KaDeWe in Berlin gemacht. Welche Rolle spielen die großen Kaufhäuser?

BS : Viele Marken im Luxussegment setzen auf den eigenen Retail, der 80% bei den Accessoires-Marken und 50 bis 60 % bei den Bekleidungsmarken ausmachen kann. Die guten Kaufhäuser vom Typ Bon Marché, Harrods oder auch KaDeWe haben in den vergangenen Jahren erheblich an ihren Konzepten gearbeitet. Allerdings unterscheiden sich die Märkte sehr, auch auf diesem Niveau. In den USA sind Kaufhäuser wie Neiman Marcus oder Saks Fifth Avenue die Eingangstür in den Luxusmarkt. Ebenso in Japan. In Asien haben die Malls den gleichen Stellenwert. In Europa ist es ein Mix aus Kaufhäusern und Monomarken-Stores.

FM : Und der französische Markt?
BS : Der französische Markt ist unser siebtgrößter. Er ist ganz generell sehr wichtig für Damenbekleidung, weil die meisten großen Modehäuser aus Frankreich kommen. Es ist ein bisschen wie beim italienischen Markt, der besonders wichtig für die Männermode ist. Wir haben 13 Geschäfte und 70 Wholesale-Partner in Frankreich. Dieses Land ist wichtig, weil die Franzosen wissen, wie eine gute Kollektion aussieht, ein bisschen so, wie die Deutschen ein gutes Auto erkennen. Und in Paris müssen wir uns der ganzen Branche stellen, es ist das internationale Schaufenster für DOB.

FM : Ärgern Sie die Gerüchte über den Launch einer Herrenlinie?
BS : Überhaupt nicht, Escada weckt eben Phantasie. Aber wir haben kein konkretes Projekt. Bisher gibt es nur Prototypen. Es ist für eine Marke wichtig, immer auch die Kleidung für das andere Geschlecht zu beobachten.

FM : Ist es ein Problem, im Vergleich zu den Konzernen nur eine einzelne Luxusmarke zu sein?
BS : Tatsächlich haben die unbestrittenen Anführer LVMH, PPR und Richemont gewisse Vorteile, z.B. bei der Standortauswahl. Aufgrund ihrer starken Marken können sie auch die schwächeren Marken aus ihrem Portfolio an attraktive Standorte bringen. Aber grundsätzlich unterscheidet sich Luxusmode, was das Verhältnis von großen Gruppen und Einzelmarken angeht, nicht von anderen Industrien. Auch in einem Konzern muss jede Marke ihre eigene Identität haben und einen einzigartigen Charakter bewahren. Damit relativieren sich die Vorteile eines Konzerns in unserer Branche ein Stück weit.

FM : Ihre Ziele für dieses Jahr?

BS : Wir erwarten ein Umsatzwachstum von 5–7%, womit wir den Sprung über die 300 Millionen Euro-Grenze deutlich schaffen würden. Beim Ergebnis wollen wir uns weiter verbessern.

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