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13.01.2014
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Premium-Macherin Tillmann über Berlin und seine Messen

Veröffentlicht am
13.01.2014

Die Premium, an der vom 14.-16. Januar rund 900 Aussteller mit 1500 Kollektionen erwartet werden, richtet sich mehr denn je an den Fachhandel. Anita Tillmann, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der Premium, erörtert im Gespräch mit FashionMag ihre Gedanken zu den Messen und insbesondere zur Stellung von Berlin in der internationalen Modeszene. Als überzeugte Berlinerin erinnert sie zwischen den Zeilen daran, dass auch Rom nicht an einem Tag erbaut wurde. Zur Erinnerung: Im Januar 2013 zog die Bread & Butter von ihrer Hochburg Köln nach Berlin und die Premium feierte ihre Prämiere in der U-Bahnstation am Potsdamer Platz.

Anita Tillmann. (Bild: Jürgen Schabes)



FashionMag: Im Juli 2014 werden Sie die einzige der drei großen Berliner Messen sein, die dem Fachpublikum vorbehalten ist. Ja, Sie scheinen diese Ausrichtung in der Kommunikation sogar noch zu stärken?
Anita Tillmann: Was die Panorama angeht, weiss ich nicht, was entschieden wurde. Seit ihrem Anfang (2003, Anm. d. Red.) ist die Premium eine B2B-Messe. In dieser Form ist sie sogar die größte ihrer Art in ganz Deutschland, wenn nicht gar Europa. Deshalb haben wir uns entschlossen, unsere Dienstleistungen für die Einkäufer zu stärken. Dazu zählt beispielsweise in dieser Saison die Einführung einer Match-Making-App. Die Besucher geben online an, woran sie interessiert sind und das Navigationssystem zeigt ihnen dann den Weg durch die Messe. Ziel ist es, am Anfang die Prioritäten abzuhaken und dann umherschlendern zu können, um neue Entdeckungen zu machen.

FM: Und wie funktioniert das konkret?
AT: Nehmen wir mal an, ich habe ein Damenmodegeschäft und suche neue Ideen im Bereich Strickwaren und Jeans. Die App zeigt mir genau, wo ich hinmuss. Das ermöglicht mir eine optimale Planung meines Aufenthalts. Denn idealerweise wollen die Besucher in Berlin alles entdecken. Deshalb müssen wir die Marken wirksamer mit den Händlern in Verbindung bringen.

FM: Sie bieten neu auch einen Starter-Service?
AT: Die Einkäufer können nach Wunsch von einem Guide geführt werden. Der Dienst wird in 6 Sprachen angeboten, darunter Französisch, Russisch und Japanisch (für chinesische Besucher haben wir ein spezifisches Angebot). Der Guide begleitet die Käufer und erklärt ihnen die verschiedenen Hallen, das Angebot, das Konzept … bis hin zu den Trends. Was uns am Herzen liegt, ist der Austausch zwischen den Käufern und den Ausstellern.

FM: Hat die Ankündigung der Publikumserweiterung der manchmal als international bezeichneten Bread & Butter nicht auch einen Einfluss auf die Premium?
AT: Ich kritisiere Karl-Heinz Müller in keiner Weise. Ganz im Gegenteil, ich bin neugierig, denn er hat gute Sachen gemacht. Die Leute sollten erst abwarten, bevor sie Kritik anbringen. Denn in der Modebranche lieg die Konstanz doch gerade im Wandel. Aber Achtung, auch wenn das vielleicht für das Segment der Bread & Butter funktionieren kann, denke ich nicht, dass dies für die Premium zutreffen könnte.

FM: Dann ist im Juli also für die Panorama auch mit einem Wandel zu rechnen?

AT: Widmen wir uns zuerst dieser Ausgabe mit neuen Marken und neuen Angeboten… Danach können wir über die Juliausgabe sprechen. Immer schön eines nach dem anderen.

FM: Viele Marken nehmen an immer zahlreicheren kleinen Messen teil. War das auch die Idee hinter den Messen in München und Düsseldorf?
AT: In Berlin zeigen wir ein Markenportfolio, das in Deutschland teils über Händler und teils noch gar nicht vertreten sind. Die Einzelhändler informieren sich und arbeiten an ihrem Budget in Berlin. Sie können Bestellungen abgeben bei Marken, die sie danach nicht mehr sehen. In Düsseldorf und München (die Premium Order Düsseldorf findet vom 1.-3. Februar statt und in München vom 15.-18. Februar) bietet wir Multibrand-Showrooms, eine Art Satellite Store, im Grunde. Oft sind es dieselben Besucher wie in Berlin, die dann definitiv bestellen. Eine Frage der Pre-Order-Logistik.

FM: Sie sagen, die Premium sei die größte Messe Europas? In Paris oder auch anderswo ist das Angebot aber sehr breit gefächert.
AT: Keine andere Messe verfügt über 25 000 Quadratmeter für Männer- und Damenmesse sowie Accessoires. In Paris, zum Beispiel, finden die Damen- und Herrenmessen getrennt statt.

FM: Wie sieht die Zukunft des Standorts Berlin aus?
AT: Vor zehn Jahren haben wir in Berlin angefangen, um die Messelandschaft zu verändern. Die Fashion Week in Berlin sollte eine moderne Veranstaltung auf dem alten Kontinent sein. Seit Jahrhunderten ist Paris übervoll und Mailand ist resolut italienisch ausgerichtet. Hier sind wir auch im Herzen Europas, für die deutschsprachigen Gebiete, ganz Skandinavien und Osteuropa. Und zuvor gab es keine Fashion Week in Deutschland, kein Premium-Angebot. Das Potenzial der Stadt liegt auf der Hand, mit den Start-ups, im digitalen Bereich, der Kunst, der Mode, der Musik… Berlin hat sich weiterentwickelt und ist zur jüngsten, modernsten und urbansten Weltstadt geworden.

FM: Wenn man sich das Programm jedoch genauer ansieht, sind die bekanntesten Marken jedoch nicht mehr in Berlin zu sehen?
AT: Welche denn? (Etwas gereizt, Anm. d. Red.).

FM: Hugo Boss, Eastpak, Rena Lange, Escada…
AT: Von einem journalistischen Standpunkt aus ist die Frage nicht korrekt. Es gibt keine Geschichte deutscher Modedesigner. Die Deutschen haben für die ausländischen Marken gearbeitet. Es entstand eine neue Gemeinschaft. Marc Jacobs ist Amerikaner und wo sind seine Modeschauen? – In New York. Dasselbe gilt für Ralph Lauren. Céline ist ein französisches Modehaus und defiliert somit in Paris. Versace ist in Mailand … Wieso sollten diese Marken auf den deutschen Laufstegen sein? Die Deutschen haben nun einen Ort, um sich der Welt zu zeigen und wo sie ernst genommen werden. Ihre Namen sind noch relativ jung, wie Michalsky, Lala Berlin … dazu kommen etablierte Designer wie Schumacher, Allude … Und bei Hugo Boss muss man auch die Beweggründe betrachten. Eine neue Führungsetage (vor allem in der Kommunikationsabteilung) ändert am Anfang natürlich alles. Doch sie werden zurückkommen. Aber ganz ehrlich, auch wenn ich die Marke liebe und sehr schätze: Berlin beschränkt sich nicht auf Hugo Boss. Zahlreiche andere Labels sind noch nicht ganz so groß.

FM: Und welches Potenzial hat Berlin?
AT: Das Berliner Wachstum ist organisch. Ein chinesisches Sprichwort besagt, dass das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Die Stadt bietet ein modernes Konzept. Alles auf vier, fünf Tage verteilt mit den Messen, den Schauen … und erst noch zu Beginn der Saison. In den USA gehen die Käufer für die Modeschauen nach New York und müssen dann später für die Messen zurückkehren. Nehmen Sie auf Angebotsseite mal die SEEK, die zu 90 Prozent männlich ausgerichtet ist, eine perfekte Ergänzung zu unserem Premium Menswear-Angebot. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir auch die Essence of Premium eingeführt (italienischer, mit einer Mischung aus traditionellem Handwerk und Moderne), zudem gibt es neben den Berliner Messen auch die Dissonance, eine Kreuzung aus Avantgarde und Streetwear (aus Japan und den USA …). Die Asiaten gehen nach Paris. Aber die neue Generation will sich mit den Warteschlangen und Codes nicht mehr abfinden. Sie schätzt das Spontane. Und genau das findet sie heute in Berlin.

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